Sprechstunde

Gaza will be rebuilt

Seine ganze Kindheit war geprägt von Militär und politischen Unruhen. Ahmed Alnaouq wurde in Gaza geboren und wuchs unter israelischer Besatzung auf. Im Interview erzählt der Journalist und Aktivist uns vom Gemeinschaftsgefühl der Palästinenser*innen und wie es ist, in einem Kriegsgebiet Kultur zu pflegen.

Von Bombenangriffen und Gewaltakten werden die Menschen in Gaza gezwungen, zusammen zu halten. Das trifft auch die Kultur. Bibliotheken und Universitäten sind längst zerstört, der Erhalt der Kultur liegt in den Händen einzelner Palästinenser*innen. Geschichtenerzählen ist deshalb zentral für das Leben in Gaza. So wird das Erbe weitergegen und verhindert, dass neue Generationen ihre Identität verlieren. Aus dieser Tradition entstanden ist auch ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Kinder, die auf dem Schulweg von Panzer bewachte Checkpoints passieren müssen, lernen neben den verschiedenen Arten Gewehre und Pistolen nämlich auch den Wert einer solidarischen Gemeinschaft kennen. Von Besetzung und Unterdrückung hat die Bevölkerung von Gaza gelernt einander in Notzeiten zu helfen.

Eine Kindheit in Gaza

2023 wurden 21 seiner Angehörigen getötet, als das Haus seiner Familie in Gaza von einer Bombe getroffen wurde. Vom Tod seiner Familie erfährt Ahmed Alnaouq per Handy, er lebt und arbeitet in London. Im Haus, in dem er auch selbst aufgewachsen ist, liegen sein Vater, Brüder, Nichten und Neffen begraben. Möglichkeiten, um sie zu trauern hatte er keine. Wie Alnaouq geht es zurzeit vielen Palästinenser*innen. Tausende Kinder, Frauen und Zivilisten wurden in den letzten Monaten in der Region getötet. Die Schätzungen unterscheiden sich sehr: der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu sprach von 16'000 toten Zivilist*innen, der katarische Sender Al Jazeera spricht von mehr als 37'000. Ohne die, die hungern, ohne die, die vermisst werden und ohne die Dunkelziffer. Seit den brutalen Angriffen der Hamas am 7. Oktober und der israelischen Antwort darauf hat sich die humanitäre Krise in der Region drastisch verschlimmert. Von London aus betreibt Ahmed Alnaouq Medienarbeit. Er ist im Fernsehen, Podcasts, auf Podien und gibt Interviews. Auch direkt an Israel gerichtet. Mit dem Projekt "Across the Wall" haben er und Yuval Abraham zusammen Texte aus Gaza auf hebräisch übersetzt und publiziert. Sie wollten aufklären und die Fronten näher zusammenbringen. Nach dem Tod seiner Familie wurde die Arbeit am Projekt vorerst eingestellt.

We are not Numbers

2015 hat Ahmed Alnaouq die Plattform "we are not numbers" mitgegründet. "We are not numbers" stellt jungen Menschen aus Gaza englischsprachige Autor*innen zur Seite. Zusammen schreiben sie die Geschichten aus Gaza auf und ermöglichen es auch dem Westen, den Alltag in Gaza zu verstehen. Ziel der Artikel sind nicht politische Statements, sondern die Leben derer zu zeigen, die vom Krieg getroffen werden. Neben Medienberichten, die täglich steigende Todeszahlen und zerstörte Landstriche zeigen, bieten die Texte einen menschlichen Kontext, der in Kriegszeiten zu oft vergessen wird. 

I don't want to die. I am too young to die. I want to be alive.

So titelt eine der Geschichten auf "we are not numbers". Aber auch alltäglichere, positivere Seiten sollen gezeigt werden. Es gibt auch Texte über die Hilfsbereitschaft der Menschen in Gaza, über ihre Gemeinschaft und Solidarität. Die, die noch ein Haus haben, bieten ihren Nachbar*innen Schutz. Kinder träumen von dem Gaza, das vor ihren Augen zerstört wurde oder schreiben von den Leben, die sie noch führen wollen.



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