Von der viertgrößten Metropole der USA zur einer postapokalyptisch anmutenden Stadt aus verlassenen Fabriken und leeren Einfamilienhäusern voller Schusslöcher - kaum eine Stadt hat in den letzten hundert Jahren so viele Turbulenzen durchgemacht wie Detroit im Norden der USA. In der heutigen Ausgabe vom Intravinyl werfen wir einen Blick in die facettenreiche Geschichte dieser einstigen Industriehochburg und liefern dir die Sounds, die für die verschiedenen Zeitabschnitte prägend waren.
Detroit wurde schon sehr früh zu einem Zentrum der afroamerikanischen Kultur. In der Geheimsprache des Underground-Railroad wurde die Stadt auch als "Midnight Station" bezeichnet. Tausende schwarze Menschen flohen aus der Sklaverei im Süden in die nordamerikanische Stadt. In der Dunkelheit der Nacht wagten sie die Flucht über den Detroit River nach Kanada, wo Sklaverei illegal war und Sklavenjäger aus dem Süden nicht geduldet wurden.
Unsere musikalische Reise begann mit den Liedern des Labels Fortune Records, das 1946 von dem jüdischen Ehepaar Jack und Devora Brown gegründet wurde. Mit ihrem Schwerpunkt auf schwarzer R&B-, Blues- und Doo-Wop-Musik gaben die beiden wichtige Impulse für die Sichtbarkeit afroamerikanischer Künstlerinnen und Künstler in der amerikanischen Musiklandschaft.
Motor City
Neben der Automobilindustrie war ein weiteres Wahrzeichen Detroits das Label Motown. Gegründet mit Hilfe eines Familienkredits, wuchs Motown Records schnell zum größten black-owned Business der Welt heran. Das originale Hitsville Studio, in dem sich auch die Wohnung des Motown-Bosses und Gründers Berry Gordy befand, wurde bald zu klein für das riesige Unternehmen. Gordy kaufte nach und nach weitere Einfamilienhäuser entlang des West Grand Boulevard. So entstand eine Stadt innerhalb der Stadt, die heute noch besichtigt werden kann. Michael Jackson, Stevie Wonder und Smokey Robinson sind nur drei der bekanntesten Namen, die das Label hervorgebracht hat.
White Flight
Als überwiegend schwarzes Label setzte sich Motown auch stark für die Anliegen der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre ein. Im verzweifelten Kampf gegen Rassismus und Segregation kam es auch in Detroit immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der schwarzen Bevölkerung und den Behörden. Dank der Automobilindustrie, die gut bezahlte Jobs für Menschen ohne höhere Ausbildung versprach, wurde Detroit zu Beginn des Jahrhunderts zur Hoffnung von Tausenden afroamerikanischer Menschen. Die Stadt war und ist teilweise heute noch stark segregiert. Schwarze und weiße Menschen lebten in verschiedenen Vierteln und besuchten unterschiedliche Schulen. 1967 kam es zu den gewalttätigsten Zusammenstößen zwischen schwarzen Freiheitsaktivisten und Polizisten. Bei den Detroit Riots kamen 43 Menschen, überwiegend schwarze, ums Leben. Nicht zuletzt dieses angespannte Verhältnis zwischen schwarzen und weißen Bürgern löste ab den späten 50er Jahren das Phänomen des "White Flight" aus. Immer mehr weiße Familien zogen aus der Stadt in die Vororte, und bald folgte auch die Automobilindustrie. Detroit, das bis dahin fast ausschließlich von der Autoindustrie lebte, verarmte, und die Kriminalität stieg. 1972 zog auch Motown aus der Stadt. Die Einwohnerzahl sank von fast 2 Millionen auf 700.000. Doch die Stadt verlor nichts von ihrer musikalischen Kreativität. In den 80er Jahren waren es drei Detroiter, die einen völlig neuen Musikstil schufen: TECHNO!!!
Playlist:
Yusef Lateef - Eastern Market
Nathaniel Mayer - Village of Love
Andre Williams - Bacon Fat
Nolan Strong & The Diablos - Do You Remember What You Did
Nolan Strong & The Diablos - Mind over Me
The Debutantes - A New Love Today
The Debutantes - We Gotta Get Out of This Place
Brenda Holloway - Every Little Bit Hurts
Brenda Holloway - Just Look What You've Done - Single Version
Model 500 - Electronic - Remix
Eddie "Flashin" Fowlkes - Goodbye Kiss
Death - Politicians In My Eyes
Death - Keep On Knocking
Death - Freakin Out
Tammi Terrell - Come On And See Me
Tammi Terrell - I Can't Believe You Love Me
Tammi Terrell - Tears At The End Of A Love Affair
Boss - I Don't Give A Fuck
Slum Village - Get Dis Money
Slum Village - Climax
Slum Village - Players
The Marvelettes - Forever
The Marvelettes - When You're Young And In Love
Mary Wells - My Guy
Mary Wells - He's The One I Love
Aretha Franklin - Drown in My Own Tears
Black Nasty - Getting' Funky 'Round Here
Black Nasty - I Must Be In Love
Black Nasty - I Have No Choice