Pioniere aus der Elektronischen Musik? Klar! Joe Meek! Robert Moog! Karlheinz Stockhausen! In der heutigen Ausgabe des Intravinyl brachen wir mit den alten weissen Männern, welche das Narrativ über die Entwicklung elektronischer Strömungen in der Musik schon seit Jahren viel zu sehr prägen und widmeten uns für 2 Stunden bahnbrechenden FINTA*-Artists, ohne die die heutige Pop-Musik völlig anders wäre.
BBC Radiophonic Workshop
Angefangen haben wir mit den Errungenschaften des BBC Radiophonic Workshop. Das war eine Abteilung in der British Broadcast Corporation, also dem öffentlich-rechtlichen Radion und Fernsehen, welche auf das Erschaffen von Klängen jeglicher Art spezialisiert war. Von kleinen Soundeffekten, bis zu ganzen Soundtracks, arbeiteten die Menschen hinter dem Workshop mit neuartigster Technik. Besonders einflussreich waren die weiblichen Mitarbeitenden im BBC Radiophonic Workshop. Unter ihnen Daphne Oram (Erfinderin der Oramic-Technik), Delia Derbyshire (Komponistin der Musik hinter Doctor Who) oder Wendy Carlos.
Wendy Carlos
Unter all den bekannten Namen hinter dem BBC Radiophonic Workshop, hatte Wendy Carlos wohl den grössten Erfolg. Mit ihrem Album Switched On Bach schuf sie ein Synthie-Meisterwerk, das Seinesgleichen sucht. Auf der Platte sind lauter Barockstücke aus der Feder von Johann Sebastian Bach zu hören, in einer fast schon unheimlich "echt" klingenden Synthie-Version. Mit einer erschreckenden Präzision schafft es Wendy Carlos sich dem Original-Ton den verschiedenen Instrumenten zu nähern. Vier Jahre später arbeitete sie mit dem legendären Regisseur Stanley Kubrick beim Soundtrack von "A Clockwork Orange" zusammen. Eine Kollaboration welche 8 Jahre später 1980 mit "Shining" wiederholt wurde. Doch nicht nur musikalisch war Wendy Carlos wegbereitend. Als eine der ersten prominenten Menschen schuf sie ein öffentliches Bewusstsein über Transsexualität, indem sie offen ihre eigene Transsexualität diskutierte.
Musique concrète und Else Marie Pade
Aus überwiegend klassischen Kreisen entwickelte sich, mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eng verbunden, die sogenannte Musique concrète. Ein Genre in welchem Künstler*innen vor allem mit voraufgenommenen, auf Tonträger gespeicherten Klängen (also konkreten Sounds) arbeiteten. Anstelle mit einem Orchester oder einem Soloinstrument erschuf man also durch Montage, Loops und elektronische Verfremdung, aus bereits Geschaffenen Sounds neue Klangwelten. Die bekanntesten Namen des Genres sind wohl Pierre Schaeffer, Karlheinz Stockhausen oder Pierre Boulez. Und eines haben die drei allesamt gemeinsam, sie alle arbeiteten mit Else Marie Pade. Geboren im Jahr 1924 in Aarhus, Dänemark schloss sie sich in ihrer Jugend der dänischen Résistance an und plante diverse Sabotageakte gegen die deutsche Besatzung. 1944 wurde die damals erst 19-jährige von der Gestapo festgenommen und landete bis zum Kriegsende in einem Internierungslager. Nach dem Krieg und dem obligatorischen Studium in klassischer Komposition und Klavierspiel, fing Pade an nach dem Vorbild von Pierre Schaeffer im Stil der Musique concrète zu komponieren. In ihren Werken verarbeitet Pade verschiedenste Klänge. Oft hinterlässt sie dabei den Eindruck, dass sie mit ihrer Musik ihre Kriegserlebnisse verarbeitet. Maschinengewehre, Pistolenschüsse, Radarpiepsen und Hubschrauberdröhnen, das alles prägt den Klang von Else Marie Pade.
Lerne die restlichen der 7 Begleiterinnen der heutigen Sendung kennen:
Playlist:
Daphne Oram - Snow
Daphne Oram - Melodic Group Shapes I
Daphne Oram - Three Single Sounds Taken in Canon
Delia Derbyshire - Pot au Feu
Delia Derbyshire - Science and Health
Delia Derbyshire - Environmental Studies
Delia Derbyshire - Know Your Car (Get out and Get Under)
Delia Derbyshire - Time on Our Hands
Delia Derbyshire - Running
Delia Derbyshire - Falling
Wendy Carlos - Sinfonia To Cantata No. 29
Wendy Carlos - Prelude And Fugue No. 7 In E-Flat Major
Wendy Carlos - Title Music From A Clockwork Orange
Wendy Carlos - Two-Part Invention In F Major
Else Marie Pade - Etude
Else Marie Pade - Syv Cirkler
Janet Beat - Dancing On Moonbeams
Johanna Beyer - Music of the Spheres
Laurie Spiegel - Patchwork
