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Automania - vom Hass gegen das Auto

Wie Autos unser Stadtbild prägen

Welche Rolle spielt das Auto in unserer Gesellschaft und wie viel Platz räumen wir ihm in unseren Städten ein? Dieser Frage wollten nicht nur wir auf den Grund gehen, sondern auch der Luzerner Filmemacher Fabian Biasio. Er ist Velofahrer und hat dadurch einen grossen Autohass entwickelt. Für ihn ist eine Stadtfahrt keine Entspannung, sondern ein Überlebenskampf. Das Komplizierte an der ganzen Sache: Sobald er selbst hinter dem Steuer sitzt, hat er richtig Spass. Wie er mit diesem Widerspruch umgehen kann und woher die Faszination vom Auto kommt, wird in Automania erkundet.

Wenn du wissen willst, warum Männer hier versagt haben, weshalb autofreie Städte nicht gleich autolose Städte sind oder was unsere Lieblingsszenen im Film waren, kannst du hier die ganze Sendung nachhören:

Le Corbusier und die Auswirkungen der autogerechten Stadt

Der Architekt und Städteplaner Le Corbusier (Bild: Joop van Bilsen)

Le Corbusier war nicht nur das Gesicht der alten Zehnernote, sondern auch der wohl einflussreichste Architekt des 20. Jahrhunderts. Als Städteplaner hat er aber auch massgebend unser Weltbild geprägt. Seine bekannteste Philosophie ist wahrscheinlich die Trennung von Arbeits- und Wohnräumen. Nicht weniger geprägt hat er die Welt allerdings mit der Idee der «autogerechten» Stadt. Diese wurde in der «Charta von Athen» von ihm und unzähligen anderen Städteplanern und Architekten vor knapp 100 Jahren festgehalten. Das Auto war gerade dran vom Luxusgut zur Massenware zu werden und war damals ein hochmodernes Fahrzeug, dem die Zukunft gehörte. Was für einen Stein diese Männer damals ins Rollen gebracht haben, konnten sie nicht wissen.

Das Auto ist in der Schweiz für 1/3 der CO₂-Abgase verantwortlich, führt zu weniger Bewegung und fordert enorm viel öffentlichen Raum ein. Es gibt keine Zweifel daran, dass ein Auto extrem praktisch und teilweise auch absolut notwendig ist, gerade in Städten führt es aber zu noch mehr Problemen. Der Verkehrslärm, der von Autos ausgeht, die zahlreichen, tödlichen Unfälle und die starke Erhitzung der Stadt durch die asphaltierten Strassen und Parkplätze machen eine Stadt weniger lebenswert.

Automania

Fabian Biasio setzt sich, um das Auto zu verstehen, neben einen SVP-Nationalrat und einen Hobbyrennfahrer auf den Beifahrersitz, aber auch zu einer Verkehrspsychologin. Er lässt sich von Roger Köppel und seinen Parteikollegen ein Velo zeichnen und spricht mit einem Menschen, der auf seinem Velo durch einen Autounfall fast gestorben ist.

Der Filmemacher erkundet in seinem Film aber nicht nur seinen Autohass, sondern auch die mit dem Auto einhergehende Freiheit. Dafür verwandelt er die Dokumentation zwischenzeitlich in einem Roadmovie, in dem er mit einem Cabriolet an malerischen Landschaften vorbei, quer durch die USA fährt und mit Amerikanern über die Rolle des Vierräders in den USA spricht. Gespickt mit «reenactments» seiner Kindheit, Verkehrsgewaltsfantasien und sowohl spannenden als auch lustigen Interviews präsentiert er damit primär eines: den Autofetischismus unserer Gesellschaft.

Eines seiner Gespräche führt Fabian Biasio mit Prof. Dr. Hermann Knoflacher. Einem Zivilingenieur, der das Stadtbild von Wien nachhaltig als autofrei prägte. Bekannt ist er aber auch für seine Erfindung – das Gehzeug. Ein Fahrzeug, nur halt zum Gehen. Dabei handelt es sich um eine Konstruktion aus diversen Holzlatten, die man sich über die Schulter hängt und damit in etwa die Dimensionen, die ein Auto einnimmt, simulieren kann. Der Filmemacher baut sich in einer Szene ein solches und läuft damit durch die Luzerner Innenstadt, bevor die Polizei ihn aus dem Verkehr zieht. 

Hier findest du eine Anleitung, um dein eigenes Gehzeug zu bauen.


Als die Luzerner Altstadt voll mit Autos war

Das Auto prägt also unsere Vorstellungen und unsere Städte. Dass eine andere Welt möglich ist, zeigen aber schon einige Beispiele in Europa. Um einen mittlerweile autofreien Stadtteil zu erleben, musst du allerdings nicht bis auf Wien, Amsterdam oder Kopenhagen reisen. Die Luzerner Altstadt feierte erst letztes Jahr ihr 50. Jubiläum autofrei. Bis 1973 war die Altstadt voll mit Autos und Motorrädern. Ein dichter Verkehr, Abgas und viele Parkplätze prägten das damalige Stadtbild – heute kaum vorstellbar.

Die Luzerner Altstadt um 1960


Eine andere Zukunft

Auch heute gibt es in der Stadt Luzern solche Projekte, die gerade von den linken Luzerner Jungparteien angestossen werden. Die JUSO forderte letztes Jahr mit einem Bevölkerungsantrag einen carfreien Schwanenplatz und die Jungen Grünen sammelten in nur einem Tag weit mehr als die benötigten Unterschriften für eine städtische Initiative, welche autofreie Quartiere fordert. Insgesamt vier Quartiere sollen zumindest teilweise autofrei und die freigeworden Strassen und Parkplätze zu Spielplätzen, Cafés, Parks oder Velowege umgewandelt werden. Auch die nationale Abstimmung zum Autobahnausbau diesen Sonntag ist wegweisend dafür, welchen Stellenwert und Raum wir dem Auto in der Zukunft geben wollen.


Automania läuft momentan täglich im Kino Bourbaki in Luzern und mehrmals in der Woche im Kino Seehof in Zug.

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