Barrieren sind Orte, welche uns einschränken oder die wir meiden, weil wir uns nicht wohlfühlen. Manchmal sind diese offensichtlich, manchmal aber auch für die Meisten unsichtbar. Oft bemerken wir Sie erst, wenn wir selber dadurch eingeschränkt werden.
Zwei Organisatorinnen von FE:IN - einem Projekt im Luzerner Treibhaus, das ein Nachtleben für alle Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen ermöglichen will - haben mit uns gesprochen.
Luzern ist voller Barrieren
Zentralplus, die HSLU und correctiv haben eine Karte entwickelt, um Orte in Luzern zu markieren, die nicht barrierefrei sind. Das können ganz klassisch fehlende Leitlinien oder eine zu hohe Buskante, aber auch sehr laute Strassen, fehlende Velowege oder zu kurze Grünphasen bei einer Ampel sein. Auf der Website kann man auch direkt einen Lösungsvorschlag deponieren. Klar ist: Stadt und Kanton Luzern haben noch viel Luft nach oben, um dem Anspruch, dass sich alle Menschen wohl fühlen können, gerecht zu werden. Obwohl der Schweizer ÖV seit dem letzten Jahr eigentlich barrierefrei sein müsste, gibt es alleine im Kanton Luzern 16 Bahnhöfe, die das nicht einhalten. Auch nur knapp jede achte Bushaltestelle an Kantonsstrassen ist stufenlos.
FE:IN – Ein Nachtleben für alle
Besonders im Nachtleben gibt es oft keinen Platz für Menschen mit Beeinträchtigungen. Das kann zu sozialer Ausgrenzung führen und ist schlichtweg nicht fair. Um dem entgegenzuwirken, gibt es im Jugendkulturhaus Treibhaus in Luzern seit einigen Jahren die Gruppe «für ein inklusives Nachtleben», kurz FE:IN. Rund zehn junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen organisieren dort regelmässig Veranstaltungen wie Partys oder Grillabende, die für alle zugänglich sein sollen. Das Treibhaus ist bereits rollstuhlgängig, bei Events von FE:IN gibt es aber zusätzlich keine Strobolichter, stärkere Beschriftungen und auch die Musik kann einmal etwas weniger laut sein. Cloé und Rahel erzählten uns, weshalb Gruppen, die solche Events veranstalten, so wichtig sind und wo auch sie noch Verbesserungspotential haben. So gibt es bei Massnahmen für Menschen mit Sehbehinderungen noch Luft nach oben. Im Moment gibt es beispielsweise noch keine Leitlinien, dafür sind Lottokarten mit Brailleschrift geplant.
«[Ich glaube,] dass es mehr Gruppen wie FE:IN braucht, damit sowas normalisiert wird»
– Cloé, Veranstalterin FE:IN
Initiativen und UNO-Verpflichtungen
Auch politisch ist die Barrierefreiheit und Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen brandaktuell. Die Schweiz unterzeichnete vor über 10 Jahren die Behindertenrechtskonvention der UNO. Leider hält sie dessen Versprechungen bis heute nicht ein. Öffentliche Orte, physisch wie digital, müssten eigentlich barrierefrei sein. Menschen mit einer Behinderung sollten ein Recht auf Selbstbestimmung haben und es sollte die totale Gleichstellung und -berechtigung herrschen. Weil diese Dinge hier aber noch nicht selbstverständlich sind, gibt es aktuell gleich zwei laufende Initiativen:
Die Inklusionsinitiative wurde letztes Jahr national eingereicht und wird voraussichtlich bald zur Abstimmung stehen. Der Bundesrat hat auch bereits einen indirekten Vorschlag definiert, der zwar einige Kompromisse eingeht, andere Dinge aber konkreter im Gesetz verankert und eine Umsetzbarkeit erleichtern soll. Bei einer Annahme sollten Menschen mit einer Behinderung mehr Geld von der IV erhalten, um von technologischen Errungenschaften zu profitieren und länger zu Hause, anstatt in einem Heim, zu leben. Damit würde das Recht auf einen selbstbestimmten Wohnort besser geschützt werden. Ausserdem müssten öffentliche Räume, Kinos, Restaurants, aber auch Websites und vieles weiteres barrierefrei werden, solange das im Einzelfall umsetzbar ist.
Auch kantonal gibt es eine Initiative, die noch in der Sammelphase ist. Die Teilhabeinitiative fordert das Stimm- und Wahlrecht für alle Schweizer Bürger*innen des Kantons Luzern ein. Auch für Menschen mit Behinderungen, die unter einem umfassenderen Beistand leben. Diese Menschen dürfen heute weder abstimmen, wählen noch sich selber zur Wahl stellen. Dadurch werden in der Schweiz über 13000 Menschen von der direkten Demokratie ausgeschlossen. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass eine Abstimmung hierdurch zu einem anderen Resultat kommen würde, ist das ein klarer Eingriff in die Gleichberechtigung aller Menschen. Eine Demokratie ist schliesslich stärker, je mehr Menschen mitbestimmen können.