Am 9. Februar stimmen wir über die Umweltverantwortungsinitiative der jungen Grünen ab. Die Initiative will, dass die Schweiz Massnahmen trifft, um die planetaren Grenzen in den nächsten 10 Jahren einzuhalten. Dafür fordert sie ein Umdenken und ein Wandel unseres Wirtschaftssystems. Unterstützt wird die Initiative von diversen Tierschutz- und Umweltorganisationen, Wissenschaftler*innen und von den Grünen, der SP und Teilen der EVP. Die bürgerlichen Parteien und diverse Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sind dagegen. Bei uns im Interview argumentieren Finn Krummenacher, Co-Präsident der jungen Grünen Luzern für, und Andreas Fuchs, Vorstandsmitglied der jungen SVP, gegen die Vorlage.
Planetare Grenzen – Was sind das?
Das Konzept der planetaren Grenzen wurde 2009 von einem Team aus Wissenschaftler*innen entwickelt und definiert den Bereich, in dem wir die Umwelt belasten können ohne die Erde langfristig zu gefährden. Überschreiten wir diese, riskieren wir, Kipppunkte zu erreichen, die zu einem Zusammensturz des Ökosystems, grossem Artensterben, Gesundheitsrisiken oder einem unumkehrbaren Klimawandel führen können. Einige dieser neun definierten Grenzen überschreiten wir in der Schweiz bereits heute, bei anderen sind wir noch im sicheren Bereich. So überschreiten wir bei der Erderwärmung die Grenze um das rund 19-fache (!), beim Artensterben um das Vierfache und beim Wasserverbrauch und Düngen um mehr als das Doppelte. Besonders problematisch ist, dass sich diese Krisen gegenseitig auslösen und verstärken – der Klimawandel trägt beispielsweise massiv zum Artensterben bei.
Auch wenn die wissenschaftliche Legitimität der planetaren Grenzen immer mal wieder kritisiert wurde und es berechtigte Fragen zur Messbarkeit einzelner Werte gibt, ist das Konzept weitgehend akzeptiert. So wurden die beteiligten Forscher*innen mit dem «Tyler Prize for Environmental Achievement» – der auch als Nobelpreis der Umwelt bekannt ist – ausgezeichnet. Die Publikation wurde ausserdem über 7000 mal zitiert.
Ist der Kapitalismus an allem Schuld?
Die Initiant*innen sehen das Problem an diesen Krisen primär bei unserem auf Profitmaximierung ausgelegten Wirtschaftssystem. Besonders reiche Menschen und international tätige Konzerne und Banken sind für einen grossen Teil der Umweltbelastung verantwortlich. Genau diese sollten für diese Krisen auch bezahlen, finden die Initiant*innen. Das wohl grösste Problem unserer Zeit, der menschengemachte Klimawandel, ist klar auf den Beginn der Industrialisierung und der Etablierung des Kapitalismus zurückzuführen. Wenn es nach den jungen Grünen geht, können wir so also nicht weitermachen, denn in der Tat – uns läuft die Zeit davon.
Was muss sich ändern?
Falls es zu einer Annahme der Vorlage kommt, ist nicht festgelegt, wie der Bund die planetaren Grenzen einhält. Dies kann beispielsweise durch die Förderung alternativer und nachhaltiger Energiequellen und Transportmöglichkeiten oder durch Subventionen passieren, aber auch durch Strafen, Steuern oder einem Werbeverbot für umweltschädliche Produkte. Festgelegt ist jedoch, dass die Massnahmen im In- und Ausland sozialverträglich sein müssen.
Weil durch diese Initiative gleich mehrere Probleme auf einmal gelöst werden könnten, sei sie laut den Initiant*innen besonders effektiv. Als Beispiel nennt Finn Krummenacher im Interview die Verbindung vom Klimawandel und der Feinstaubbelastung. Weil die Umweltverantwortungsinitative (kurz UVI) beides gleichzeitig angreift, ist sie ein sinnvolles Mittel um auch gesundheitliche Probleme zu verhindern.
Armut, Verzicht und eine zu kleine Schweiz – So lautet die Kritik der Gegner
Die Kampagne der Abstimmungsgegber bezeichnet die Umweltverantwortungsinitiative auch als «Verarmungsinitiative». Der dramatische Name bezieht sich auf die grosse Angst, dass die Schweiz an Wohlstand verlieren würde. Trotz der Sozialverträglichkeit befürchten sie, dass die Lebenserhaltungskosten von einkommensschwächeren Personen explodieren würden. Wohl grösser ist aber die die Sorge um wirtschaftliche Einschränkungen, bei denen die Schweiz im internationalen Vergleich einen starken Wettbewerbsnachteil haben könnte. Nebst den eigenen Profiten würden dabei möglicherweise auch Arbeitsplätze verloren gehen. Ein weiteres Argument, das in diesem Zusammenhang oft genannt wird, ist, dass die Schweiz im Vergleich zu grossen Industriestaaten wie den USA oder China bereits viel für den Klimaschutz tun würde. Ausserdem sei sie zu klein, um einen Unterschied zu machen.
Auch wenn die Schweiz verhältnismässig viel gegen den Klimawandel unternimmt, sind sich NGOs und Forscher*innen einig, dass es noch nicht reicht. Auch die Befürworter*innen der Initiative weisen darauf hin, dass die Schweiz im Ausland für viele Umweltverstösse und Emissionen verantwortlich ist und für andere Staaten eine Vorbildfunktion einnehmen könnte.
Einig sind sich jedoch beide in einem Punkt: Mit einer Annahme der Initiative würde es wohl zu einem radikalen Wandel in unserem Konsumverhalten kommen und wir müssten auf einiges verzichten. Am 9. Februar stimmen wir über die Umweltverantowortungsinitiative ab.