Die Mischung aus epischem Kirchengesang, fröhlichem Folk und unverständlichen Sprechgebeten ist nicht ganz ohne. Sich darauf einzulassen, bedeutet aber einen bewegenden Prozess der Heilung mitzuerleben.
Künstlerische Wiedergeburt
Die US-amerikanische Sängerin Reverend Kristin Michael Hayter, früher unter dem Pseudonym Lingua Ignota bekannt, schlägt mit dem Album SAVED! eine neue Richtung in ihrer künstlerischen Laufbahn ein. Der Wechsel ihres Künstlerinnennamens kommt nicht unerwartet – schon vor einem Jahr hat Hayter angekündigt, dass sie sich von der Persona Lingua Ignota und ihrer früheren Arbeiten zurückziehen werde. Damals erklärte sie: «Es ist nicht gesund für mich, meine schlimmsten Erfahrungen immer wieder zu durchleben.»
Ihre früheren Werke waren von sehr viel Schmerz und Wut geprägt und halfen der Künstlerin, erlebte Gewalterfahrungen auf eine sehr rohe und direkte Art zu verarbeiten. Sie selber bezeichnete ihre Musik als «survivor anthems», auf Deutsch «Hymnen einer Überlebenden». Mit ihrem neu gewählten Namen Reverend Kristin Michael Hayter, der an ihren Geburtsnamen Kristin Hayter anlehnt, möchte sie sich nun mehr der Heilung statt Zerstörung widmen. So sagt sie auch:
"Um zu leben, müsst ihr wiedergeboren werden. Es bedeutet einen ernsthaften Versuch, Erlösung zu erlangen und wirkt wie eine apokalyptische Offenbarung über den komplexen, manchmal hässlichen, immer nicht-linearen Prozess der Heilung."
Gerettet durch Gebete?
SAVED! bedeutet aber nicht, dass alles gerettet ist und die Welt nun ein heiliger Ort ist - die Gefühle von Schmerz und Verzweiflung sind auch in diesem Album noch sehr präsent. Und trotzdem spürt man auch Stimmungen wie Ironie, Freude und Hoffnung heraus – sowohl inhaltlich als auch musikalisch.
So bringen zum Beispiel die Lyrics vom Track “ALL OF MY FRIENDS ARE GOING TO HELL” eine gewisse Absurdität mit sich, die fast schon ins Lustige über geht:
I don’t want to be like my friends who are going to hell
I can’t pretend I’ve done better than you
I’ve walked in the dark and I lost my way too
But I’m on my knees in the place where I fell
Begging, God save my soul, please don’t send me to hell
Verzweifelt dafür zu beten, nicht in die Hölle zu kommen, gleichzeitig aber diejenigen Menschen zu lieben, die laut konservativ katholischen Vorstellungen genau dorthin gehören, klingt nach einem Paradox in sich. Auch das Musikvideo zum Track, welches die Künstlerin selbst gedreht hat, spielt mit mehrschichtigen Bildern und ist nicht eindeutig zu lesen. Geht es tatsächlich um eine ziemlich orientierungslose, aber doch bestimmte Suche nach Vergebung und Erlösung? Oder will uns die Zigarettenrauchende Seite von Hayter zu verstehen geben, dass sie eigentlich doch ganz okay damit ist, mit ihren Freund*innen in die Hölle zu kommen, vielleicht sogar mit Stolz?
Stilistisch enthält SAVED! Elemente von Gospel, Appalachischem Folk und experimentellem Noise. Hayter selbst bezeichnete das Album als "Inneres Buch der Offenbarung", in dem sie "neue Ebenen der Verwirrung erreicht, spirituell und klanglich". Diese Verwirrung gelingt ihr durchaus, als Hörer*innen weiss man zeitweise nicht, ob einem nun nach weinen oder lachen zumute sein soll.
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Playlist
Reverend Kristin Michael Hayter
I'M GETTING OUT WHILE I CAN
ALL OF MY FRIENDS ARE GOING TO HELL
THERE IS POWER IN THE BLOOD
IDUMEA
I WILL BE WITH YOU ALWAYS
PRECIOUS LORD TAKE MY HAND
MAY THIS COMFORT AND PROTECT YOU
THE POOR WAYFARING STRANGER
NOTHING BUT THE BLOOD OF JESUS
I KNOW HIS BLOOD CAN MAKE ME WHOLE
HOW CAN I KEEP FROM SINGING
Wade Ward, Granny Porter
Barbry Allen