Bei Andreas Herrmann gehen die Figuren als nichts ahnendes Menschengewusel durch eine dunkle, nur ab und zu hell aufgeblendete Szenerie. Doch wie sie das tun, ist immer wieder von einer tänzerischen Leichtigkeit, und Clemens Maria Riegler findet als Wilhelm einen wunderbar naiven Ton für seinen Untergang. Bloss sein armer Onkel scheint das Unheil zu ahnen, die Angst sitzt ihm bei Jörg Dathe in den Knochen und drückt als verzweifelte Verschmitztheit aus der Visage. Und wie recht er hat: Die Verführung ist eine viel smartere Macht als die Angst. Charmant spielt der Teufel, die alte Diva, mit der Manneskraft der Möchtegernschützen: Daniela Britt zeigt einen gewinnenden Stelzfuss, und die Combo im Orchestergraben spielt die Arrangements von Daniel Perrin so leicht und beschwingt, dass man gar nicht anders kann, als ihnen zu verfallen. Der Abgrund schillert in glanzvollem Licht in dieser Nacht, und die Menschlein fallen federleicht hinein.
Tages-Anzeiger, 20. Oktober 2014
Vor allem aber gelingt Herrmann die «perfekte Balance von schräger Komik und emotional berührenden Momenten», wie eine Besucherin wohl stellvertretend für das begeistert applaudierende, auffällig junge Premierenpublikum meinte. Möglich macht es die vorzügliche darstellerische Leistung des zahlreich versammelten Schauspielensembles, aus dem Jörg Dathes komische Kabinettstücke herausragen. (…) Die von Daniel Perrin geleitete Johnny-Four-Fingers-Band schafft ihrerseits die perfekte Balance von kreischend hochgeputschten Klanggewittern mit einem melancholisch schlurfenden, von Bläsern und Akkordeon morbid eingefärbten Balladenton. Und wo sie punkig-hart loslegt, fährt Hans-Caspar Gattiker als Jägerbursche - ein hinreissender gesanglicher Höhepunkt - auch stimmlich aus der Haut. Selbst wo der Gesang ungehobelter wirkt, als er wohl gewollt ist, passt er zur kaputten Szenerie mit einer Braut, die nach dem letzten, dem Teufel vorbehaltenen Freikugelschuss tot wie ein Sack hinfällt. Nicht zuletzt musikalisch ist dieser «Black Rider» dank Tom Waits' grossartiger Songs ein Muss.
Neue Luzerner Zeitung, 19. Oktober 2014
Beherrscht wird die Geschichte vom Teufel, oder in diesem Fall von der Teufelin, von Stelzfuss, einer herausragenden Daniela Britt. Verrucht, lasziv, verführerisch, mit samtig-rauchiger Stimme, teuflisch eben, zieht sie Wilhelm den Schreiber in ihren Bann. Dieser will oder muss sich sein geliebtes Käthchen „er-schiessen“, will es doch die Tradition, dass der Schwiegersohn ein tüchtiger Jäger ist und erfolgreich den Probeschuss absolviert. Nun muss er beweisen, dass er, der Schreiber aus der Stadt, diese Kunst auch beherrscht. Einen kurzen Moment wird man bei seinen ersten Schiessversuchen an die Schiessbuden erinnert, welche zu dieser Jahreszeit ein paar hundert Meter weiter stehen. Wilhelm, alias Clemens Maria Riegel, lässt sich auf den Deal mit den Teufelskugeln von Stelzfuss ein. Dem Schauspieler wird in dieser Rolle alles abgefordert. Und wenn er am Ende, nachdem er sein Käthchen tatsächlich erschossen hat, seinen Kummer herausschreit und dem Wahnsinn verfällt, ist das so glaubhaft gespielt, dass man den verstörten jungen Mann tröstend in die Arme schliessen möchte. Auch die übrigen Darsteller überzeugen, Jörg Dathe begeistert mit seinen komikhaften Auftritten und Hans-Caspar Gattiker als Jägerbursche Robert beschert dem Publikum einen musikalischen Hühnerhaut-Moment im zweiten Akt. Nicht alle Stimmen sind allerdings den Waits Melodien vollends gewachsen, aber das tut dem Stück keinen grossen Abbruch. Die Musiker des «Johnny Four Fingers and the Pipefixer Glass Orchestra» machen das wett und werden Tom Waits melancholisch-düsteren, schmachtend-schmelzenden Melodien mehr als gerecht. Leichte Kost ist dieser Black Rider nicht, die Bilder, die auf die Bühne gezaubert werden, haben etwas Zerstörerisches, Verstörendes, müssen erstmal verdaut werden und bleiben über Stunden irgendwie dunkel-düster präsent.
Innerschweiz Online, 20. Oktober 2014
Wir werden empfangen von Stelzfuss, der Teufelin. Sie wartet schon, als wir reinkommen, dann werden wir begrüsst von Tom Waits’ Klängen und merken bald: Stelzfuss lenkt alles, sie leitet sogar das Orchester und sie (ver-)führt uns. Glaubt mir, meine Begleitung hätte ihr die Seele noch hinterhergeworfen. Sie spielt «Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann» mit dem Ensemble, und in drei Sprachen werden wir mitten in das Stück über den Pakt mit dem Teufel geworfen. (…) Es kommt, wies kommen muss: Die Geschichte beginnt hochzukochen, denn Wilhelm hat seine Munition wie im Wahn verschossen, ist abhängig geworden, wahrlich süchtig und ihm geht der Stoff, beziehungsweise die Munition aus. Diese Gefühle der Panik, der Zweifel und Ängste werden ausgekostet und wunderbar inszeniert. Im Lichtgewitter windet sich Wilhelm, als wäre er auf Entzug, die Wucht der Emotionen drückt einen tief in die Sessel. Stelzfuss erscheint. Neue Kugeln kosten aber, jetzt wird der Preis, der ein jeder zu bezahlen hat, eingefordert. Beim grossen Probeschiessen um die Braut und die Erbschaft verspricht die verführerische Teufelin: Sechs der Kugeln gehören dir, doch die letzte lenke ich.
Kulturteil, 19. Oktober 2014
Die Inszenierung des Schauspiel-Chefs Andreas Herrmann im Luzerner Theater nimmt diese Atmosphäre auf. Er schafft schöne Bilder, das schlichte Bühnenbild hilft dabei. Mit einem Kreis an einer Wand wird die Bühne je nachdem zu einer Zielscheibe, zu einem Visier oder zu einem Auge. Es bleibt die ganze Aufführung hindurch düster, es gibt Schattenbilder und Spotlichter. Immer bleibt das Gefühl, dass die Protagonisten auf der dunklen Seite des Lebens gelandet sind. Die Band «Johnny Four Fingers and The Pipefixer Glass Orchestra» rund um den Musiker Daniel Perrin spielen hervorragend, genau und mitreissend. Häufig hat man das Gefühl, man sitze in einem Varieté. Aber auch der Jazz kommt nicht zu kurz. Der Stelzfuss, also der Teufel, der die Fäden zieht und das Unheil bringt, wird in Luzern von einer Frau gespielt. Die Schauspielerin Daniela Britt schlüpft in diese Rolle und spielt und singt sie überzeugend mit verführerischem aber auch bösem Charme.
Radio SRF1, 18. Oktober 2014