23.06.2025
von
Elia Brülhart
Es gibt Alben, die nicht als grosse Statements gedacht waren, aber trotzdem zu solchen wurden. Diary von Sunny Day Real Estate ist eines dieser Alben. 1994 auf dem damals noch kaum bekannten Label Sub Pop erschienen, wurde es zum Referenzpunkt für einen Sound, der sich später unter dem Begriff "Emo" etablieren sollte lange bevor das Wort durch kommerzielle Fehlgriffe in die Popkultur gespült wurde.
Diary ist ein Album zwischen Dringlichkeit und Unsicherheit. Die Songs wirken oft roh, aber nicht unüberlegt. Jeremy Enigs Stimme schwankt zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, die Gitarren kreisen, bauen auf und brechen wieder ein. Vieles ist intuitiv und gerade deshalb präzise. Die Band verzichtet auf plakative Gesten und schafft es trotzdem oder gerade deshalb eine emotionale Tiefe zu erreichen, die selten kalkuliert klingt.
Die Produktion ist klar, aber nie plump. Zentral sind dabei immer die Drums die zeigen wie sich der Raum verändert, wenn ein Part wechselt. Songs wie Seven, In Circles oder Song About an Angel zeigen eine Band, die sich nicht an Konventionen orientiert, sondern ihren eigenen Zugang zu Struktur, Dynamik und Stimmung finden.
Was Diary bis heute interessant macht, ist seine Ambivalenz. Das Album klingt gleichzeitig jugendlich und reif, verletzlich und bestimmt. Es verweigert einfache Kategorisierungen, was wohl auch erklärt, warum es so oft als Startpunkt eines Genres bezeichnet wird, das sich selbst nie richtig definieren konnte.
Als Klassiker der Woche ist Diary kein nostalgischer Rückgriff, sondern ein Album, das auch drei Jahrzehnte später noch offen bleibt auch für neue Hörer:innen, neue Lesarten und neue Kontexte.