Sphaíra

Eine kraftvolle Hommage an die iranische Bevölkerung

Der iranische Komponist Saba Alizadeh setzt sich in seinem dritten Album Temple Of Hope mit den politischen und sozialen Unruhen in seiner Heimat auseinander. Als Hommage an das iranische Volk reflektiert das Album gleichzeitig die Woman Life Freedom-Bewegung und die umfassenden langjährigen Kämpfe, mit denen das iranische Volk konfrontiert ist. Im Zentrum des Albums steht die Frage danach, wie inmitten von Angst und Grausamkeit ein Sinn für Schönheit blühen kann: Wie kann Unaussprechliches hörbar gemacht werden und neben Wut und Hoffnung ein unnachgiebiger Lebenswille bestehen bleiben?

Fragen und Reflexionen zu Schmerz, Widerstand und Hoffnung finden ihren Ausdruck in elektroakustischen Kompositionen, die traditionelle persische Musik mit modernen Techniken kombiniert. So verbinden sich Klänge der traditionellen Kamancheh mit Streichern, modularen Synthesizern und einem no-input Mixer zu einem vielschichtigen Klang, der durch historische Radiosequenzen vertieft wird und kulturellen und historischen Kontext aufruft. Komplexe Emotionen wie Wut und der Drang nach Veränderung werden durch diese historischen Elemente angesprochen und damit auch die Instabilität und der Wandel in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs aufgezeigt.

Die dichte und schwer fassbare Atmosphäre des Albums fordert einem als Hörer*in dazu auf, sich mit komplexen und auch unangenehmen Tatsachen auseinanderzusetzen.

Der Slogan Woman Life Freedom findet seinen Ursprung in der kurdischen Frauenbewegung und hat zum Ziel, die Bedeutung von Frauen hervorzuheben. Mittlerweile ist der Ausdruck vor allem durch seine Verwendung im Zusammenhang mit Demonstrationen im Iran im September 2022 bekannt, nachdem Jina Mahsa Amini durch Polizeigewalt getötet wurde. Sie war aufgrund eines angeblichen Verstosses gegen das staatliche Hijab-Gesetz von der iranischen Sittenpolizei festgenommen worden. Ihr Tod löste seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 die bisher am längsten andauernden Proteste gegen das iranische Regime aus. Saba Alizadeh widmet sich mit dem Song To Become A Martyr One Has To Be Murdered einer weiteren Symbolfigur der Widerstandsbewegung gegen das repressive Regime, Nika Shakarami. Dabei setzt er sich mit dem Paradoxon des Martyriums auseinander: 

"Martyrs are revered as heroes. But murder is not a sacred act and should not be romanticized. Yet without one, the other does not exist."

Nafir (Clamour) wurde am 3. März 2023 veröffentlicht.

Die Thematisierung der Demonstrationen und Proteste erinnert daran, wie wichtig es ist, in der Gesellschaft eine Stimme zu haben und gehört zu werden. Diese Tatsache reflektiert Saba Alizadeh durch ein Wechselspiel zwischen reinen Instrumental-Tracks und Songs, in denen Gesang auftaucht. Und obwohl der Gesang nicht als klar formulierte Narrationen auftritt, erzählt das Album die Geschichte der Proteste und deren Repression anhand der Songtitel, der markanten instrumentalen Interpretationen und schliesslich durch die konkreten historischen Radiosequenzen.

Temple Of Hope schliesst der Song You Tell Me ab. Der Song enthält originales Klangmaterial, welches auf dem letzten Telefonat des iranischen Ringers Navid Afkari basiert. Er soll im Jahr 2018 während einer der Demonstrationen gegen das Regime des Iran einen Sicherheitsmitarbeiter getötet haben. Seine Schuld und das Gerichtsverfahren sind umstritten und trotz mehrfacher Proteste wurde Navid Afkari am 12. September 2020 hingerichtet.

Das Telefonat hat kurz vor seiner Hinrichtung im Gefängnis in Shiraz stattgefunden, Navid Afkari wendet sich darin an das iranische Volk. Was im Song zunächst als perkussives Instrument wahrgenommen werden könnte, wird im Verlauf des Stückes immer deutlicher: Die Stimme von Navid Akfari ertönt zunächst als stark verzerrtes Echo, bis seine Worte unverfälscht zu hören sind. Der Nachhall seiner Stimme wird zu einer auditiven Gedenkstätte.

Und trotz des Titels Temple of Hope ist das Album ein überwiegend düsteres Werk. Schönheit und Optimismus scheinen sich nur vereinzelt von der Dunkelheit abzuheben: Der Song Extra Planetary Lovers verbindet sanfte Streichersounds und  sehnsüchtigen Gesang, der von einer Utopie erzählt, in der alle Geschwister oder Liebende sind. 

"We could be presents to eachother. I could be sister you could be brother. We could be extra planetary lovers."

Der schwache Hauch an Optimismus und die Kulisse aus Grausamkeit und Dunkelheit erinnern mit den Klängen des Temple of Hope daran, dass in der Hoffnung gleichzeitig eine starke Wucht steckt.

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Die besten Tracks findest du in dieser Playlist:

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Tracklist:

Saba Alizadeh - Temple of Hope

Temple of Hope

To Become a martyr, one has to be murdered

Women of fire (feat. Sanam Maroufkhani)

Fall of the heroes

Drop by drop an ocean of blood forms

What comes from the sea returns to the sea (feat. Leila Rahimi)

Plain of the free

You tell me...

Extra planetary lovers (feat. Andreas Spechtl)

Clamour

Beauty of politics (feat. Andreas Spechtl)

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