Das Jazzfestival Willisau feiert dieses Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. 1975 von Niklaus Troxler, auch bekannt unter seinem Pfadinamen Knox, ins Leben gerufen, avancierte das Festival zu einem der wichtigsten Events im weltweiten Jazz. Mit einem Fokus auf Improvisation und Spontanität hat sich Knox zum Ziel gesetzt, einzigartige Live-Momente zu schaffen, die nicht reproduzierbar sind. Im AUX schaut Knox nun auf die über 900 von ihm organisierten Konzerte zurück und bringt dir einige der schillerndsten Erlebnisse in einer handselektierten Playlist näher. Die ganze Sendung gibt es hier zum Nachhören.
Harvest Time in Willisau
Ein Höhepunkt in der Geschichte des Jazz in Willisau stellt ohne Zweifel die dritte Ausgabe des Festivals 1977 dar. Zehn Jahre nach dem Tod des Jazz-Innovators John Coltrane organisierte Knox ein Programm, das lauter Musikschaffende mit Bezug zu Coltrane einlud. So traten unter anderem die Coltrane-Wegbegleiter McCoy Tyner (Solo) und Elvin Jones (Elvin Jones Jazz Machine) auf, während das Trio Stone Alliance Coltrane-Werke in einen Jazz-Rock-Kontext neu verarbeitete. 1977 war auch der frühere Coltrane-Kollaborateur Pharoah Sanders in Willisau zu sehen – es war sein erstes europäisches Konzert mit eigener Band. Gespielt hat er neben seinem legendären The Creator Has a Master Plan aus seinem 1969 bei Impulse erschienenen Meisterwerk Karma auch Tracks von seinem damals neuen Album Pharoah. Eine LP, welche sich ruhiger und atmosphärischer anfühlt als seine Vorgänger – grosse Ausbrüche sucht man vergebens. Pharoah beinhaltet auch das Stück Harvest Time, von welchem Pharoah Sanders später, als die Platte schon längst vergriffen war, immer wieder schwärmte. Nach seinem Tod war es den Hinterbliebenen ein Anliegen, die LP neu zu veröffentlichen. So wurde auch der Kontakt zu Knox aufgebaut. Dieser stellte die Live-Aufnahme vom Festival 1977 zur Verfügung und verfasste einen Text für die Liner Notes. Auch noch heute umfasst das Willisau Jazz Archiv viele unveröffentlichte Klangschätze. Geniessen kann man sie jedoch trotzdem bei den Hörstationen der Schweizer Nationalphonothek!
Red and Black
Als Grafiker erreichte Knox, nicht zuletzt auch mit den Plakaten, die er für die Konzerte in Willisau gestaltet hat, weltweite Anerkennung. Ein Durchbruch stellte dabei das Plakat für das Doppelkonzert von Dewey Redman und Marion Brown dar, für das Knox 1977 zum ersten (und bei weitem nicht letzten) Mal für das beste Schweizer Plakat des Jahres ausgezeichnet wurde. Damals gestaltete er die Plakate für die Konzerte, welche durchs Jahr verteilt und unabhängig vom Jazzfestival stattfanden, überwiegend im Kleinformat. Der Erfolg des Dewey-Redman-und-Marion-Brown-Plakats veranlasste Knox aber dazu, diese in Zukunft – genauso wie die Plakate des Festivals – im Weltformat zu gestalten. Dewey Redman trat 1980 wiederum im Duo mit dem Drummer Ed Blackwell am Jazzfestival Willisau auf. Die beiden kannten sich zwar schon aus ihrer Zeit in der Band des Free-Jazz-Pioniers Ornette Coleman – das Zusammentreffen im Duo war aber eine Premiere. Knox erinnerte sich daran, wie Ed Blackwell aufgrund seiner Nierenprobleme hinter den Kulissen Dialysen durchführen musste, dann aber mit einer unglaublichen Wucht auf die Bühne trat. Der Auftritt resultierte wiederum in einer Veröffentlichung: Red and Black in Willisau erschien 1985 beim italienischen Black-Saint-Verlag und wurde schnell zum Favoriten unter Jazzmusiker*innen. Noch heute sei es eine der Platten, auf die er am meisten angesprochen werde, erinnert sich Knox.
Playlist
Chris McGregor’s Brotherhood of Breath – Tunji's Song
Betty Carter - Dropping Things
Marion Brown Quartet – La Placita
Pharoah Sanders – Harvest Time, live in Willisau
Gary Windo – His Master’s Bones
Dewey Redman & Ed Blackwell – We Hope
Max Roach & Archie Shepp – Sophisticated Lady
Sun Ra Arkestra – Limehouse Blues
Vocal Summit - Hello
Richard Galliano Septet - Sur: Regresso al amor
Aki Takase – O Blues
Om – Pt. XI
The Young Gods – No Land’s Man
Bänz Öster & The Rainmakers - Nach Em Räge Schint Sunne