Stooszyt

Belästigung den Kampf angesagt - wo steht "Luzern schaut hin"?

Ein unangenehmer Blick, ein anzüglicher Handgriff oder ein wüster Spruch. Sexistische und queerfeindliche Belästigung ist im Alltag verbreitet. 80 Prozent aller Frauen geben an, schon einmal wegen ihres Geschlechts belästigt worden zu sein. Mit "Luzern schaut hin" gibt es seit einem Jahr eine einfache Anlaufstelle. Was hat sich gezeigt? Und wo geht es in nächsten Jahr hin?

267 Meldungen gab es im ersten Jahr. Auf "Luzern schaut hin" können sexistische und queerfeindliche Belästigungen gemeldet werden - online und anonym. In Zürich und Bern ist das Tool bereits seit mehreren Jahren im Einsatz, Luzern konnte das erprobte Programm übernehmen. Schritt für Schritt leitet die Website durch den Prozess. Beinhaltet die Meldung eine strafbare Handlung, weist die Webseite darauf hin und bietet weitere Angebote. Auch auf Opferhilfe wird gelinkt. Doch nur die wenigsten, die Belästigung melden, gehen auch zur Polizei. Rund sechs Prozent geben an, auch Anzeige erstatten zu wollen. In vielen Fällen wissen Betroffene, was passiert ist, war keine Straftat. Belästigung ist es trotzdem.

Das Fazit im Überblick

Etwa fünf Meldungen pro Woche wurden im ersten Jahr auf "Luzern schaut hin" gemacht. Es zeigt sich ein deutliches, vielleicht auch erwartetes Bild. Die meisten Meldungen wurden von Frauen gemacht, die meisten Tatpersonen waren männlich. Was aber überrascht, ist, wo diese Belästigungen auftauchten. Nicht etwa in Klubs oder spät in der Nacht, sondern meist tagsüber und in öffentlichen Räumen. Der ÖV oder öffentliche Plätze sind Schauplatz der meisten Meldungen. Das könnte daran liegen, dass im Nachtleben oftmals Security und Awareness vorhanden sind. Betroffene wissen, wo sie sich melden können. Für Orte wie das Inseli oder den 1er gibt es diese Sicherheit nicht. Auch das Alter der Meldenden überrascht. Überproportional 16-Jährige bis 25-Jährige wenden sich an "Luzern schaut hin". Im Podcast gibt Lena Greber Kontext, sie ist mitverantwortlich für den Betrieb der Plattform.

Was passiert mit den Meldungen?

Der Meldungsprozess ist anonym für alle Betroffenen. "Luzern schaut hin" fragt nicht nach Namen von Personen, Namen von Lokalen oder Vereinen. Solche Meldungen habe es auch noch keine gegeben, meint Lena Greber, die Co-Leiterin der Fachstelle Gleichstellung. Sie wertet die Meldungen zusammen mit der anderen Co-Leitung aus. Es sind keine Rückschlüsse auf Personen möglich. Denn "Luzern schaut hin" ist kein Pranger. Ziel ist und bleibt, ein grösseres Problem der Gesellschaft offenzulegen.

Mehr als nur Diskussion

Eine Anlaufstelle für Erfahrungen zu sein, ist nur ein Ziel der Plattform. Aus den Meldungen folgen auch spezifische Handlungen. Mit Partner*innen setzt die Fachstelle für Gleichstellung Projekt und Kampagnen (dazu später mehr) um. Ein Beispiel ist der "Safe Place" in der Ufschütti. Denn die beliebte Badewiese war ein Hotspot für Meldungen während den Sommermonaten. Zusammen mit der SIP Sicherheit Intervention Prävention wird dort gegen belästigende Vorfälle gearbeitet. Auch werden Jugendliche dort auf "Luzern schaut hin" sensibilisiert. 

Ein anderes Beispiel ist das Luzern Live. Am Festival war "Luzern schaut hin" sehr präsent, mit Plakaten und Öffentlichkeitsarbeit. Das habe sich ausgezahlt. Lena Greber erzählt, dass es während dem Festival zu merkbar mehr Meldungen gekommen ist. Es bleibt aber ein zweischneidiges Schwert, denn eigentlich wünscht man sich, dass es keine Meldungen gäbe. Auf der anderen Seite zeigen vermehrte Meldungen, dass das Tool funktioniert und wo gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit gekämpft werden muss.

Auch an der Fasnacht weisen Plakate auf "Luzern schaut hin" (Quelle: Stadt Luzern) 

An der Fasnacht wird es aber schwierig. Denn die ist chaotischer und dezentral organisiert. Eine zentrale Strategie wird fast unmöglich, trotz hoher Polizeipräsenz. Dabei wäre es gerade hier nötig. Eine "Narrenfreiheit" gehört zum Geist der Fasnacht, gewisse Regeln gelten nicht während der fünften Jahreszeit. Manche strecken dies aber weit aus, hinein in Belästigung. Was Narrenfreiheit sicher nicht abdeckt, meint Lena Greber, wäre das Verletzen der sexuellen Integrität anderer. Schon an der Fasnacht 2024 haben sich Meldungen auf der damals jungen Plattform gehäuft.

2025 soll das Jahr der Zivilcourage werden

Für das zweite Jahr setzt "Luzern schaut hin" setzt auf ein Wort: Zivilcourage. Das Tool selbst ist bereits ausgereift. Als nächster Schritt will die Fachstelle für Gleichstellung nun zu mehr Zivilcourage aufrufen. Schon ein Blick kann reichen, um Sicherheit zu geben. Doch viele fühlen in öffentlichen Räumen eine Anonymität - als Ausrede, um nicht einzuschreiten, wenn sie Belästigung sehen. Im vergangenen Jahr wurden bereits Kurse angeboten, um Zivilcourage anderen näherzubringen. Einschreiten und Helfen brauch Mut, diesen sollen Luzerner*innen mehr fühlen. Dabei ist aber auch immer die eigene Sicherheit ein Faktor. Das einfachste, was getan werden kann, ist und bleibt eine Meldung bei "Luzern schaut hin".

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