Schreiner*innen, Pflegefachkräfte, Hochbauzeichner*innen - Handwerke in der Schweiz haben strikte Standards, Kompetenzen im Beruf werden vom Staat definiert. Tattoos existieren ausserhalb dieser Regeln. Alle, die sich online Nadeln und Tinte bestellen, können sich Tattoo-Artist nennen. In den letzten Jahren hat sich viel verändert in der Branche. Etablierte Künstler*innen und Studios sehen nicht nur positive Entwicklungen.
Im Podcast erzählt die Luzerner Künstlerin Cynthia von den Entwicklungen der Branche. Es geht auch um die Zunahme von Heimtätowierer*innen und dem Risiko, das von ihnen ausgeht.
Vom Rand der Gesellschaft, zur Mainstream-Industrie
Obwohl Tattoo-Künstler*innen keinen Abschluss vorweisen müssen, bevor sie ihr Handwerk ausüben, ist die Branche nicht der Wilde Westen. Es gibt mittlerweile diverse Kurse und Diplome, die ein gewisses Level an Berufskenntnis ausweisen. Wer mit Tattoos Geld verdienen will, unterliegt sogar einer Meldepflicht. Seit 2018 müssen gewerbsmässig tätige Künstler*innen sich beim Bund melden. Ihre Studios werden (theoretisch) regelmässig kontrolliert und haben Hygienekonzepte einzuhalten, die sich an bestehendem Gesundheits- und Lebensmittelgesetz orientieren. Alle diese Regeln zählen auch für Stick and Pokes. Während Tattoos in den gesellschaftlich akzeptierten Mainstream rückten, professionalisierte sich auch die Branche. Studios sind mittlerweile angemeldete Betriebe mit Fachpersonal, auch wenn dies kein EFZ haben muss.
Dazu kommt, dass mit den Jahren strengere Regeln für die Werkzeuge geschaffen wurden. Inhaltsstoffe der Farben etwa sind heute bei weitem sicherer als früher. Auch für Konsument*innen wurde so mehr Sicherheit geschaffen. Kurz gesagt, Tattoos wurden zur Industrie.
Black & Grey - Industrie in der Grauzone
Seit einigen Jahren nimmt innerhalb der Tattoo-Branche Schwarzarbeit enorm zu, warnt die Szenenwebsite tattoo.ch in diversen Artikel. Künstler*innen, die ohne saubere Studios und ohne Registrierung beim Bund Tattoos stechen, würden eine Gefahr für "seriöse" Studios darstellen. In der Szene sei in den letzten Jahren die Zahl dieser Anbieter*innen stark angestiegen. Konkrete Zahlen können nicht angegeben werden, doch Branchenkenner*innen schätzen, dass auf ein gemeldetes Studio zehn ungemeldete kommen.
Die Kontrolle darüber unterliegt eigentlich dem Bund. Doch kontrolliert werden kann nur, was bekannt ist. Die Grauzone innerhalb der Branche wird deshalb "Black & Grey" genannt, nach dem bekannten Tattoostil.
Finanziell leiden gemeldete Studios unter denen, die im Graubereich agieren. Diese müssen oftmals keine Steuern oder Miete bezahlen, weil sie in Küchen, Hotelzimmer oder WG-Sofas arbeiten, statt in sauberen Flächen. Hygienestandards zu hallten, kostet, denn Nadeln und Farben müssen Richtwerten entsprechen. Tattoo.ch schreibt in einem Statement gegenüber 3FACH, dass bereits mehrere Studios durch illegale Anbieter*innen verdrängt wurden. Weil sie oftmals mit grossen Rabatten werben und Dumpingpreise anbieten, können sie Kund*innen abwerben.
Was müssen Kund*innen wissen?
Natürlich sind nicht alle, die ohne Studio Tattoos stechen, unsicher. Es ist sehr wohl möglich, auch bei nicht-professionellen Künstler*innen gute Erfahrungen zu machen. Auch die, die kein Studio besitzen, können ihr Handwerk beherrschen. Für gewisse Menschen kann eine vertrautere Atmosphäre angenehm sein. Doch das Risiko, auf Probleme zu stossen, ist sicherlich höher. Für Konsument*innen gibt tattoo.ch folgende Hinweise, was bei der Wahl einer Künstler*in wichtig ist:
- Künstler*in ist gemeldet und wird kontrolliert
- Hygienestandards werden erklärt und eingehalten
- Saubere Räumlichkeiten und Werkzeuge
- Transparent über Preise und Material
- Nachweisbare Erfahrung
Hingegen gibt es auch Red-Flags:
- Keine Adresse, Impressum oder feste Kontaktdaten
- Unsichere Arbeitsumgebung
- Verdächtig tiefe Preise
Vor dem Tattoo wird deshalb empfohlen, Künstler*in, Arbeitsumfeld und Preise zu prüfen.
Die Angaben in diesem Bericht stammen aus einem schriftlichen Statement der tattoo.ch Redaktion, sowie Interviews mit lokalen Künstler*innen.