Stooszyt

Keine Frage des Glaubens- Konflikt bei Luzerner Religionsgemeinschaften

Es war ein feierlicher Tag: am 7. Mai gründeten diverse Luzerner Religionsgemeinschaften den Verein «Forum Luzerner Religionsgemeinschaften». Zusammen wollen sie Aktionen realisieren, sich organisieren und den interreligiösen Dialog leben. Doch wenige Tage vor der Gründung gibt es einen Rückzug. Die Reformierte Kirche Kanton Luzern zieht sich aus dem Verein zurück. Ihre interne Regierung, der Synodalrat, hat sich einstimmig zu diesem Schritt entschieden. Sie nennen intransparente Strukturen, Geld und Politik als die Gründe.

Wir haben beide Seiten nach dem Nicht-Beitritt befragt. Manuela Jost, Synodalrätin der Reformierten Kirche Kanton Luzern und Nicola Neider, Expertin für interreligiösen Dialog, haben geantwortet:

 

Strukturen zu weit gewachsen

Was als Gruppe mit rein organisatorischen Zielen begann, ist in den Augen der Reformierten Kirche Kanton Luzern vom Weg abgekommen. Sie fürchten, der neue Verein könne als anwaltliche Präsenz auftreten, also selbst politische Meinungen abgeben. Auf einen so unabhängigen Verein hat sich die kantonale Kirche wohl nicht eingelassen. Denn die Äusserung von politischen Meinungen hat die Reformierte Kanton Luzern als Grundauftrag in der eigenen Kirchenverfassung verabschiedet. Nun diese Verantwortung (wenn auch indirekt) an einen Verein zu delegieren ist für den Synodalrat nicht mit der Ausrichtung der Kirche vereinbar.  Der interreligiöse Dialog wäre Aufgabe ihrer Kirche, ihn an externe abzugeben, wäre also ein Irrweg. Die Vertreterin vom Verein "Forum Luzerner Religionsgemeinschaften" hat einen anderen Blickwinkel.

Ja, der neue Verein wird Farbe bekennen, meint Nicola Neider. Die Expertin für interreligiösen Dialog arbeitet seit Jahren für die Verständigung der Religionen. Das Forum würde öffentliche Äusserungen abgeben, wie es in Zürich bereits etabliert sei. Etwa nach Attacken gegen religiöse Minderheiten, um zwischen Religionen für Frieden zu plädieren und die gemeinsamen Werte zu vertreten Diese sollen aber weniger politisch sein, eher würde es um Solidarität unter den Gemeinschaften gehen. Vor allem kleine Religionsgruppen, die keine internen Kommunikationsstellen haben, würden von der gemeinsamen Vertretung profitieren. An dieser Stelle sprechen beide Seiten oft von den geteilten Werten - und vom fehlenden Leitbild.

Reformierte bemängeln fehlende Auslegung

Der neu gegründete Verein hat kein Leitbild. Dieses wird erst noch gemeinsam erarbeitet. Im langjährigen Prozess vor der offiziellen Gründung ist ein solches Leitbild gestrichen worden. In Neiders Augen war dies ein Entgegenkommen in Richtung reformierter Kantonskirche. Dort hingegen soll ein keinen Beitritt zu einem Verein ohne klare Werte geben. Hier scheint die Kommunikation grundlegend aneinander vorbeizufliegen.

Die Strukturen des neuen Vereins seien ihnen zu komplex, meint die Reformierte Kirche Kanton Luzern. Aktiv- und Passivmitglieder, Gremien und andere Bürokratisierung würden den Rahmen des Vereins sprengen. Manuela Jost und der Synodalrat bemängeln diese Strukturen als nicht ausgereift genug. Obwohlbei der Erarbeitung des Forums auch Vertreter*innen der reformierten Synode beteiligt waren.

Hier entgegnet die Expertin für interreligiösen Dialog, Nicole Neider, dass der Aufbau des Vereins an ähnlichen Gruppierungen in anderen Kantonen orientiert ist und in Realität kleine Gemeinschaften, Privatpersonen und Unternehmen mehr in den Verein einbinden würden.

Unklare Finanzen sorgen für Zweifel

Als dritten Streitpunkt sehen die Reformierten die Finanzierung des Forums. Sie hätten kein Budget vorgelebt bekommen, auch keine verbindlichen Angaben, für welche Zwecke die Mittel verwendet würden. Als erfahrene Politikerin bezweifelt Synodalrätin Jost auch, wie das "Forum Luzerner Religionsgemeinschaften" als Bittstellerin bei der öffentlichen Hand ankommen wird. Bei der Gründung am Mittwoch wurde zwar ein Budget vorgestellt, in einer Höhe von 40'000 Franken. Dabei handelt es sich allerdings erst um einen Vorschlag, weder Kosten noch Einnahmen sind in trockenen Tüchern.

Schlussendlich liegen sich hier zwei Seiten in den Haaren, die nur logistisch getrennt sind. Im Interview beteuern beide Vertreterinnen, wie wichtig interreligiöse Arbeit wäre. Die Reformierte Kirch Kanton Luzern ist weiterhin bei Aktionen beteiligt und will dies auch nicht ändern. Die Kirche investiert viel in niederschwellige Arbeit, vor allem für Junge gibt es relevante Angebote im Bereich der mentalen Gesundheit. Manuela Jost berichtet, dass diese Angebote rege genutzt werden, von Jugendlichen über religiöse Grenzen hinweg. Ein Beispiel ist die "Lange Nacht der Kirchen", ein ökumenisches Projekt, bei dem reformierte und katholische Kirche zusammenspannen.

Fokus bleibt die Arbeit

Nicole Neider möchte auch betonen, dass ihre Arbeitgeberin, die Katholische Kirche, seit mehreren Jahren intensiv in den interreligiösen Dialog investiert. Sie und ihre Kolleg*innen würden sowohl finanziell als auch arbeitstechnisch viel Last tragen. Mit dem neu gegründeten Verein wollen sie die Zukunft des interreligiösen Dialoges längerfristig sichern - unabhängig von kirchlicher Politik. Vor allem kleine Gruppierungen will sie damit bestärken.

Wichtig anzumerken ist, ist, dass lediglich die Reformierte Kirche auf Kantonsebene Zweifel geäussert hat. Die städtische Kirche hingegen ist Teil des "Forum Luzerner Religionsgemeinschaften" und stellen dort sogar ein Vorstandsmitglied.

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