Sphaíra

Ein zu Hause finden in der Ortlosigkeit

Auf ihrem Anfang März erschienenen Mini-Album Qasr begibt sich die US-amerikanische Künstlerin Sheherazaad auf die Suche nach einem Ort, den es so nicht gibt und der dennoch ganz ihr gehört. Hindi-Poesie fliesst in eine Klanglandschaft, die fesselt und musikalische Grenzen sprengt. 

Musik als Portal zu anderen Welten

Im Hintergrund der Sprachmemo, die uns Sheherazaad von einer Parkbank in Brooklyn schickt, hört man den Wind und das leise Heulen der Sirenen. Sie erzählt uns, was Musik für sie heute bedeutet. Jahre nachdem sie sich entschieden hat, nicht mehr auf Englisch zu singen, sondern nur noch auf Urdu und Hindi - Sprachen, die sie seit ihrer Kindheit kennt, aber doch nicht perfekt beherrscht. Musik sei heute eine authentische Ausdrucksform für sie, kein Copy-Paste mehr, nicht mehr der Versuch, einem gewissen Format zu entsprechen. Musik sei für sie zum Portal geworden zu einem "realm of selfhood and otherworldiness". Nach dem Tod ihres Grossvaters vor einigen Jahren verbrachte die in Kalifornien grossgewordene Sheherazaad Zeit in Varanasi in Indien bei ihrer Familie. Es sei eine Zeit der Entfremdung gewesen, zu ihrer Familie wie zu sich selbst, erzählt sie. Bei ihrer Rückkehr in die Staaten, begann sie sich intensiver mit Urdu, Hindi und Arabisch auseinanderzusetzen. Als die COVID-Pandemie ihren Höhepunkt erreichte, mietete sie sich ein kleines Musikstudio in San Francisco und lebte dort. Zum Duschen ging sie ins Fitnessstudio. In diesem Vakuum aus Einsamkeit und Existenzangst entstand Qasr

"Placelessness is a a beautiful place to be"

Das Mini-Album Qasr ist der Versuch, dem Gefühl von fehlender Zugehörigkeit einen musikalischen Raum zu geben. Dieser Versuch ist Sheherazaad gelungen. In ihren Texten erschafft sie Charaktere, mythische Städte und erzählt von Wahnsinn, Untergang und Freiheitsdurst. Die Aussprachefehler und grammatikalischen Ungereimtheiten auf Urdu versteckt Sheherazaad nicht, sondern macht sie zum Stilelement, das ihre gleichzeitige Nähe und Distanz zur Sprache veranschaulicht. Ihre Positionierung zwischen zwei Kulturen nutzt Sheherazaad, um einen völlig neuen Sound zu erschaffen, der sich über bekannte Genres hinwegsetzt. Die Anziehungskraft von diesem Klang liegt klar in Sheherazaads Stimme, die mal federleicht und dann wieder ganz schwer ist. Aber auch in der Spannbreite zwischen minimaler Begleitung bis hin zu komplexen orchestralen Klangteppichen.


 

Erzählen als Kampf ums Überleben

Mit ihrem Künstlerinnennamen lehnt sich Sheherazaad an die gleichnamige weibliche Figur aus der Geschichtensammlung Tausendundeine Nacht an, die mit ihrer Erzählkunst nicht nur ihr Leben, sondern auch das zahlreicher anderer Frauen rettet. Schon als Kind sei sie davon fasziniert gewesen, wie die Erzählkunst von Schahrasad zum Überlebenskampf wird. Erfahrungen von patriarchaler Gewalt, Hysterie und Wahnsinn baut Sheherazaad auch immer wieder in ihre Texte ein. Insbesondere in der Hindi-Poesie seien weibliche Figuren nie mit diesen Eigenschaften in Verbindung gebracht worden. Doch gerade diese dunklen, schweren Erfahrungen seien Bestandteil ihrer Erfahrung als junge Frau in einer Diaspora gewesen. Mit Qasr, was auf Urdu "Festung" bedeutet, gibt Sheherazaad diesen Gefühlen, Erfahrungen und vergessenen Wurzeln einen Raum, den es sich zu erkunden lohnt.

In ihrer Musik macht sich Sheherazaad ihre dunkle Seite zu eigen. credits: Zayira Ray

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Die besten der besten Tracks landen hier!! <3


Playlist:

Sheherezaad – Qasr
Mashoor
Dhund Lo Mujhe
Koshish
Khatam
Lehja

Sheherezaad – Khwaabistan
Muhajir
Shayad
Bolne Ke Liye

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