Der Rock sei gefangen in einer selbstreferenziellen Schlaufe, schreibt der Musikjournalist Simon Reynolds 1994 in der britischen Zeitschrift The Wire. Wahre Originalität finde mensch bei Bands, die sich von den etablierten Rockstrukturen entfernen und die äussersten Grenzen des Genres erkunden, ohne dabei auf die klassische Rockbesetzung zu verzichten. Willkommen im Post-Rock!
Flüstern im Frequenznebel
Refrains und Strophen suchst du hier vergebens. Im Vordergrund steht das Timbre, die Klangfarbe, mit denen Klanglandschaften gemalt werden, die sich mal utopisch-träumerisch, mal furchterregend und bedrohlich vor dich auftürmen. Talk Talk gilt als frühe Komponentin des Genres. Mitte der 80er macht sie sich rund um Bandleader Mark Hollis einen Namen mit ansteckenden Synth-Pop-Bangers wie It’s My Life. Ende der 80er-Jahre nimmt die Band aber immer mehr Abstand von herkömmlichen Songstrukturen. Die Musik wird intimer und düsterer. Die Tracks auf den Alben Spirit of Eden und Laughing Stock haben einen meditativen, impressionistischen Charakter – freifliessend und abstrakt. Die beiden Alben gelten als wegweisend für die spätere Entwicklung des Post-Rocks.
Echos in der Gruft
In der Gruft der St John’s Church in Stratford, Ostlondon, sind Bark Psychosis anzutreffen. Zwischen uralten Gräbern entstehen, umhüllt von Weihrauchduft und Echo, erste Singles der Band, die sich im Alter von 14 Jahren zusammenschliesst. Auch mehrere Aufnahmen für ihr Debütalbum Hex entstehen dort. Melancholisch und kühl flüstert sich Frontmann Graham Sutton durch winterliche Landschaften, die wiederholt durch überwältigende Ausbrüche gestört werden. Auch live gilt die Band als wild und unberechenbar, obwohl von dieser Energie auf den Studioaufnahmen weit weniger zu spüren ist.
Wo Gitarren träumen
Mit dem Aufkommen der Rave-Kultur biedern sich Anfang der 90er Jahre auch immer mehr englische Rockbands den neuen Strömungen des Techno an. Beispiele hierfür sind die Happy Mondays oder Primal Scream. Eine ehrliche Symbiose findet Seefeel. Ihre Produktionen entstehen vor allem auf Cubase, einem Musikprogramm, das bis dahin fast ausschliesslich in der Technoszene Gebrauch findet. Riffs und Powerchords sucht mensch vergebens – die Gitarre wird zur Klangtextur und ist als solche nicht mehr von den gesampleten Elementen ihrer Musik zu unterscheiden. Seefeel wird die erste gitarrenbasierte Gruppe, die beim legendären Rave-Label Warp unter Vertrag kommt.
Playlist
Main - Blown
Pram - Milky
Pram - Loredo Venus
Talk Talk - Inheritance - 1997 Remaster
Talk Talk - I Believe in You - 1997 Remaster
Bark Psychosis - A Street Scene
Bark Psychosis - Absent Friend
Disco Inferno - Footprints In The Snow
Disco Inferno - A Crash At Every Speed
Seefeel - Charlotte's Mouth
Seefeel - Polyfusion
Laika - Almost Sleeping
Laika - Prairie Dog
Insides - Walking In Straight Lines
Insides - Darling Effect
Slowdive - J's Heaven