Queertopia

Von homoerotischer Kunst in Palästen und geheimen Liebesbriefen... die Klassik

Scheinehen, geheime Liebesbriefe, ungeklärte Todesfälle, privilegierte Thronfolger und Paläste gefüllt mit homoerotischer Kunst - all das beschäftigt und heute in Queertopia! Ein Genre, mit welchem wir uns bisher noch überhaupt nicht befasst haben, ist die Klassik! Von Tchaikovsky zu Friedrich dem Grossen und Chopin, sie alle waren ein wenig (oder sehr fest) 💅 und hatten bewegende Lebensgeschichten.


Pyotr Ilyich Tchaikovsky

"Wenn ich stundenlang seine Hand halte und mich quäle, ihm nicht zu Füßen zu fallen […] ergreift mich die Leidenschaft mit übermächtiger Wucht, meine Stimme zittert wie die eines Jünglings und ich rede nur noch Unsinn.“

Pyotr Ilyich Tchaikovsky mag dir sicher ein Begriff sein. Sein Stück "Schwanensee" ist weltberühmt.

Doch Tchaikovskys Sexualität wird erst seit einigen Jahrzenten in Frage gestellt. Über 5000 seiner Briefe liegen in den Händen von Archivist*innen und Historiker*innen, grösstenteils in Russland. In seinem Heimatland ist er ein Held - unvorstellbar, dass er schwul gewesen sein könnte. Briefpassagen, die darauf hindeuten wurden in der Vergangenheit systematisch von Historiker*innen versteckt und zensiert. Erst seit wenigen Jahren hat sich die angespannte Lage rund um seine Sexualität gelockert. Mit Ausnahme einer Rede des russischen Kulturministers, der 2013 behauptete, es gäbe absolut keine Beweise dafür, dass Tchaikovsky schwul war.

Erste Briefe, die über Tchaikovskys Sexualität aufklären stammen aus dem Jahr 1877. Gleichzeitig das Jahr, in dem seine Lebenskrise startete. Das Jahr begann jedoch voller Glück und Liebe, als Tchaikovsky im Januar seinem ebenfalls schwulen Bruder Modest in einem Brief von seiner Liebe zu Iossif Iossifowitsch Kotek, einem ehemaligen Schüler Tchaikovskys erzählte.

„Ich bin so verliebt, wie ich es lange nicht war… ich kenne ihn schon seit sechs Jahren. Ich habe ihn immer gemocht und war einige Male dabei, mich zu verlieben. […] Jetzt habe ich den Sprung gemacht und mich unwiderruflich ergeben. Wenn ich stundenlang seine Hand halte und mich quäle, ihm nicht zu Füßen zu fallen […] ergreift mich die Leidenschaft mit übermächtiger Wucht, meine Stimme zittert wie die eines Jünglings und ich rede nur noch Unsinn.“

Doch war 1877 eben Tchaikovskys Kriesen- und nicht Glücksjahr. Im April desselben Jahres schrieb ihm nämlich eine Frau, die ihm drohte, sich umzubringen, wenn er sich nicht mit ihr treffe. In Briefen von Tchaikovsky an seinen Bruder war er überzeugt davon, dass sie beide heiraten musste, um Menschen davon abzuhalten weiter über irhe Sexualität zu spekulieren. Also heiratete Tchaikovsky im Sommer 1877 die mysteriöse Frau und verfiel unmittelbar danach in eine jahrzehntelange Depression.

„Kaum war die Trauung vollzogen, kaum war ich mit meiner Frau allein geblieben und kaum hatte ich erkannt, dass uns das Schicksal untrennbar verbunden hatte, da begriff ich plötzlich, dass ich nicht einmal Freundschaft, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Widerwillen gegen sie empfand. Der Tod schien mir der einzige Ausweg, doch Selbstmord kam nicht in Frage.“

Ebenfalls Fragen wirft Tchaikovskys enge Beziehung und blumige Briefsprache über seinen Neffen Vladimir Davydov auf. Ihm widmete er schlussendlich auch sein letztes Stück "Pathétique", welches nur 9 Tage nach seinem ungeklärten Tod Uraufführung feierte. Aus diesem Grund wird es von vielen Historiker*innen als "Abschiedsbrief" Tchaikovskys gehandhabt.

Rund um seinen Tod gibt es nämlich noch die Annahme, dass Tchaikovsky in den Sohn einer Adelsfamilie Russlands verliebt war. Diese soll wiederum die Zaren gebeten haben etwas gegen Tchaikovsky zu unternehmen. Der Zar soll ihm gesagt haben, dass er ihn zwar nicht töten werden, Tchaikovsky jedoch durch seine eigene Hand sterben soll. Tchaikovsky starb schlussendlich in jungem Alter an Cholera. Ob er absichtlich ungekochtes Wasser trank, oder es ihm verabreicht wurde, bleibt bis heute unklar. 


Angela Morley

"At age ten, I had a month-long love affair with the violin but my grandfather, a prankster who didn’t like the violin, smeared butter on my bow and very effectively brought my career as a violinist to an end."

Wenn du Star Wars Fan bist, dann kennst du bestimmt diese weltberühmte Szene.

Für die ebenso bekannte Musik des Films ist unter anderem Angela Morley verantwortlich. Die Britin hat schon als Kleinkind diverse Instrumente gespielt, bis sie sich als Teenager auf das Saxophon spezialisiert hat. Als 1939 der zweite Weltkrieg ausbrach und viele Profimusiker in den Krieg ziehen mpssten, spielte sie mit gerade mal 15 Jahren in so vielen Bands mit, dass sie sich ihr Leben selbst damit finanzieren konnte. Als sie dann damit begann Musik zu komponieren, zog es sie nach Hollywood, wo sie schnell in der Filmmusik-Branche Fuss fasste.

Im Jahr 1970 verschwand die damals 46-jährige Angela Morley ohne Vorwarnung für zwei Jahre von der Bildfläche. Als sie wieder auftauchte bemerkte die Branche: Angela Morley hatte eine geschlechtsangleichende Operation und einen neuen Namen. Morley thematisierte ihr Trans-Sein zu Lebzeiten nie gross und nahm auch keine zusätzliche aktivistische Rolle wahr. Einzig, dass ihre damalige Ehepartnerin während den Operationen eine grosse Unterstützung war, betonte sie immer wieder.

Noch in den 70ern wurde Angela Morley als erste Transfrau überhaupt für einen Osacar nominiert und war gleichzeitig die erste Frau, die in der Kategorie "beste Filmmusik" eine Nomination landete. Nach einiger Zeit in Hollywood hatte sie genug und zog nach Arizona, wo sie 2009 mit 81 gestorben ist. 


Friedrich II.

 “My hemorrhoids affectionately greet your cock”

Für Friedrich II., später Friedrich der Grosse, war das Musizieren eher eine Nebenbeschäftigung. In erster Linie war er in seiner Jugend Thronfolger seines Vaters Friedrich I. von Preussen. Schon als Jugendlicher hatte er eine Affäre mit einem Palastangestellten, woraufhin dieser von Friedrich I. vom Palast verbannt wurde. Friedrich II. hatte kurz darauf eine Beziehung zu Hans Hermann von Katte, einem Leutnant. Friedrich II. gestand von Katte nicht nur seine Liebe, sondern auch, dass er vor seinem Vater flüchten möchte. Von Katte half Friedrich II. bei einem Fluchtversuch, wobei sie erwischt wurden. Daraufhin wurde von Katte von Friedrich I. zum Tode verurteilt. Friedrich I. zwang seinen Sohn ausserdem bei der Hinrichtung zuzusehen. Von diesem Tag gibt es einen berühmten Wortwechsel zwischen Friedrich II. und von Katte.

Friedrich: "Bitte verzeih mir, bei Gott, verzeih mir!"

Von Katte: Es Gibt nichts zu verzeihen. Ich sterbe für dich mit Freude in meinem Herzen."

Nach von Kattes Tod wurde Friedrich II. unvermeidbar zum König von Preussen und zog in eine Zwangsehe, in der er nie Kinder zeugte. In seinen Palästen hingen hunderte homoerotische Kunstwerke und seine Palastangestellten gaben ihm ebenso eindeutige Spitznamen wie Luc, was rückwärts zu viel wie "Anus" auf Französisch bedeutet. Erst in der Weimarer Republik akzeptierten Historiker*innen, dass Friedrich II. nicht heterosexuell war. Heute gibt es sogar einen ganzen Wikipedia-Artikel nur zu seiner Sexualität. Nebst seinem bewegten Liebes- und Herrscherleben war Friedrich II. auch ein begnadeter Flötenspieler.


Und hier kannst du dir die Musik anhören!

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