Sphaíra

"Sie suchten im Auto, nach Alkohol oder Musik"

Vor einigen Monaten gab es im Sphaira bereits eine Sendung, zu den Protesten im Iran und der Musik, die für die Protestbewegung relevant ist. Die Protestbewegung ist noch immer aktiv, die mediale Aufmerksamkeit ist jedoch zurückgegangen. Genau deshalb ist es wichtig, das Thema erneut in den Fokus zu rücken. Auch historische Hintergründe, werden in dieser Sendung mit eingebaut. Darüber berichtet in einem Interview, ein Gast, der den Protesten, wie auch der iranischen Musikgeschichte nahe steht.

Falls du diese Sendung verpasst hast, kannst du sie hier nachhören:

Seit September 2022 wird im Iran wieder protestiert, ja, wieder. Seit der Islamisch Revolution im Jahr 1979 gab es immer wieder Unruhen und Proteste. In den allermeisten Fällen galten diese dem Mullah-Regime, das aus dem Iran eine Islamische Republik machen will. Dies ist zu einem Teil auch bereits passiert. Es gelten beispielsweise strenge Kleidervorschriften und wer sie nicht einhält, wird von der sogenannten Sitten-Polizei, gewaltvoll dazu gefügig gemacht. Unter der strengen Regierung leidet vor allem die weiblich gelesene Bevölkerung, die auch im Mittelpunkt der neusten Protestbewegung steht. 

In der letzten Sendung, zur Rolle der Musik in den Protesten, hatten auch wir unseren Fokus auf den Künstler*innen, die sich mit den Protesten solidarisieren und den Soundtrack zur Revolution produzieren. Diese Basis dieser Sendung ist ein Gespräch, mit einem Menschen, der ursprünglich aus dem Iran kommt, dort gelebt hat und sich ebenfalls mit den Protesten solidarisiert. Er erzählt, weshalb Musik und Protest im Iran schon lange in einer Verbindung zueinanderstehen, wie das Regime mit der kritischen Musik umgeht und welche Strategien es gibt, um der Bestrafung durch die Regierung, zu entkommen. Aus Schutzgründen wird der Name des Interview-Partners, auf seinen Wunsch hin, nicht bekannt gegeben.

" Das Regime hat versucht, die Musik überhaupt, zu verbieten"

Im Gespräch wird mir erzählt, dass die Mullah-Regierung, nach deren Machtübernahme in den 70er Jahren, den Versuch startete, die Musik insgesamt, zu verbieten. Ein Paar wenige Ausnahmen galten für religiöse Gesänge oder militärische Märsche. Insbesondere die "verwestlichten" Musikgenres, wie Pop oder Rock, sah die Islamische Republik als Angriff auf ihre Moralvorstellungen. Aus seiner Erinnerung, erzählt mein Gast folgendes:

"Ich habe in Erinnerung, als ich meine Familie besucht habe, da wurden Kassetten beschlagnahmt. Also es gab Check-Points, bestimmte Strassen, wo Autos angehalten und durchgeschaut wurden. Alle mussten aussteigen und sie suchten im Auto nach Alkohol oder Musik."

Den Gesprächsausschnitt kannst du hier nachhören:

Die Geschichte des Musikverbots ist noch heute nicht vorbei. Frauenstimmen beispielsweise, sind noch immer Verboten. Dies ist auch der Grund, weshalb die Sängerin Googoosh den Iran im Jahr 2000 verlassen musste. Sie wollte auf ihre Karriere als Sängerin nicht verzichten und musste dafür das Land verlassen. 

Viele Künstler*innen wählen ganz bewusst nicht den Weg der Ausreise. Der wohl bekannteste unter ihnen, ist der Rapper Toomaj Salehi, der in seinen Texten kein Blatt vor den Mund nimmt, das Regime ganz direkt kritisiert. Dafür sitzt er nun zum zweiten Mal in Haft und es droht ihm aktuell die Todesstrafe. Toomaj ist auch deswegen so mutig, weil er seine Texte nicht verschlüsselt. Er lässt keinen Interpretationsspielraum übrig, mit dem er sich gegen das Regime verteidigen könnte. 

In "Bebakhshid" beispielsweise, nimmt er Bezug auf den ehemals inhaftierten Musiker Shervin Hajipour, von dem, der wohl wichtigste Protestsong "Baraye" stammt. Shervin wurde ebenfalls inhaftiert. Er musste dann, um entlassen zu werden, ein "Entschuldigungsvideo" von sich veröffentlichen, in dem er erklärt, dass es sich bei "Baraye" nicht um einen Protesttrack handelt. Toomaj entschuldigt sich in einer ironischen Weise nun ebenfalls, mit dem Lied Bebakhshid.

"Musik spielt eine grosse Rolle, weil es verbindet"

Hinter einer Vielzahl der Musik, die im Zusammenhang mit dem Protest entsteht, steht eine kollektive Autor*innenschaft. Diese schützt die Individuen vor der Inhaftierung, lässt eine möglichst freie Meinungsäusserung aber dennoch zu. Die Musik übernimmt dann, die Funktion einer Hymne, die verbindet und Anliegen poetisch konkretisiert. Auf die Frage hin, ob die Musik auch als Mittel für mediale Aufmerksamkeit im Ausland eingesetzt wird, verneint mein Gesprächspartner. Wegen der Sprachbarriere sei die internationale Aufmerksamkeit auf die Musik nicht sehr gross. Es ginge vielmehr darum, im inneren des Sprachraumes zu wirken. Und dies konnte ich tatsächlich auch in der Recherche spüren. Einige Songs, die in der Sendung gespielt werden, hätte ich allein nur sehr schwer finden können, da die URLs und Links in arabischen Schriftzeichen geschrieben wurden. So beispielsweise auch folgendes Lied:

An dieser Stelle möchte ich mich, bei meinem Gesprächspartner ganz herzlich bedanken, fürs Teilen, die Einblicke, das Vertrauen und die vielen Links.

Playlist:

 Artist unknown - Soroode Sogand (Oath Anthem)

Artist unknown - Soroode Zan (Women's Anthem)

Toomaj - Normal 

Toomaj - Bebakhshid

Negin Parsa - Hiz Toyee

Shervin Hajipour - Baraye

Googoosh - Makhlough

Nesa Azadikhah - Tasnif-e Eshgh


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