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Demokratiedefizit in der Schweiz: Ein Viertel darf nicht wählen!

Die Wahlen sind vorüber und überall heisst es nun “die Schweiz habe gewählt”.

Die Schweiz ist aber genau keine einfache Einheit, was sich gerade auch an der Bewertung wie auch Beschreibung der gestrigen Wahlen zeigt. Es müsste eher heissen “gewisse Menschen in der Schweiz haben gewählt, während etwa ein Viertel von der Wahl ausgeschlossen war”.

Aber das ist halt viel zu lange und nicht ganz so catchy und impliziert, was wir diese Sendung genau zum Thema hatten: Nämlich, dass unser Parlament in Bern die gesellschaftliche Vielfalt nicht widerspiegelt. Lea Portmann, Politologin und Dozentin an der Universität Basel kann die Situation wenn es um Menschen mit Migrationserfahrung geht in konkrete Zahlen setzen: Nur knapp 5 % “unserer” Politiker*innen haben einen Namen, der auf Migrationserfahrung hinweist, während das bei 20 % der Stimmbevölkerung und etwa 40 % der Wohnbevölkerung in der Schweiz der Fall ist (hier handelt es sich noch um den Nationalrat von 2019-2023).

Mehr dazu findest du hier. Für Lea Portmann ist das klar ein Demokratiedefizit. Arbër Bullakaj, Präsident von Aktionvierviertel würde dem sicher zustimmen. Und auch Reza Jafari vom Migrant*innenparlament Luzern wünscht sich für Menschen mit Migrationserfahrung mehr Möglichkeiten an der Politik teilzunehmen.

Das Gespräch mit Arbër Bullakaj von Aktionvierviertel

Der Verein Aktionvierviertel hat sich zum Ziel gesetzt, wie sie es selbst formulieren "die Demokratie zu fördern". Das wollen sie, in dem sie dem bisher vom nationalen Wahl- und Abstimmungsprozess ausgeschlossene aber in der Schweiz wohnhaften Viertel durch Einbürgerung die Möglichkeit geben an diesem Prozess teilzunehmen.

Bisher ist die Einbürgerung in der Schweiz nämlich nicht einheitlich, nicht national gelöst, sondern von Gemeinde zu Gemeinde anders, was dann durchaus auch zu den einen oder anderen Skandalen führte.

Arbër Bullakaj führt aber auch aus, dass gerade das Viertel, welches am allermeisten unter Sparmassnahmen, höheren Mieten und Krankenkassenprämien usw. usf. zu leiden haben und dabei nicht einmal mitentscheiden dürfen. Dabei hiess es auf der anderen Seite der Welt vor über 200 Jahren noch "no taxation, without representation". Die Forderung von Aktionvierviertel ist also gar nicht so radikal meinte Arbër Bullakaj im Interview, sondern viel mehr ein Aufholen der Schweiz an bereits bestehende Bedingungen in Europa.

"Die Schweiz braucht einen neuen Gesellschaftsentwurf", heisst es auf der Seite von Aktionvierviertel.

Hier hörst du die erste Hälfte der Sendung:

Reza und das Migrant*innenparlament

In Luzern gibt es das sogenannte Migrant*innenparlament. Ganz egal ob du wahlberechtigt bist oder nicht - dort hast du das Recht zum Mitbestimmen.

Diverse Arbeitsgruppen stellen Vorschläge zusammen, über welche dann in einer Session debattiert und abgestimmt wird. Die angenommenen Vorschläge werden daraufhin in Form von Forderungen an das kantonale Parlament von Luzern weitergereicht. Ob diese Forderungen ernst genommen werden, liegt jedoch an den Menschen im offiziellen kantonalen Parlaments.

Reza Jafari ist Teil des Migrant*innenparlament in Luzern. Er ist in der Schweiz nicht Stimm- und Wahlberechtigt, obwohl er seit 2015 in der Schweiz lebt und unterdessen auch arbeitet. Auch in Afghanistan, wo er zuvor gelebt hat, ist kann er politisch nicht mitbestimmen. Eine Demokratie gibt es dort nicht(mehr). Obwohl er in keinem der beiden Länder eine offizielle Stimme hat, ist sein Interesse an Politik sehr gross. Die Wahlen von vergangenem Sonntag hat er gespannt mitverfolgt. Er interessiert sich für die gesellschaftlichen Themen und ist Teil der Arbeitsgruppe "Bildung, Arbeit und Bewilligungen" beim Migrant*innenparlament, wo er sich dafür einsetzt, dass migrierte Menschen besseren Zugang zu Sprachkursen und Arbeitsbewilligungen haben.

Mit Reza sprechen wir darüber, wie sich der Wahlsonntag für ihn angefühlt hat, welche Wünsche er für neu in der Schweiz angekommene Personen hat und welche Hürden im Weg stehen, wenn man sich als Mensch mit Migrationserfahrung politisch engagieren will...

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