Die Frage nach der einflussreichsten amerikanischen Singer-Songwriterin führt schnell zu altbekannten Namen wie Joni Mitchell oder Carole King. Diese beiden haben mit Bob Dylan und Joan Baez etwas gemeinsam: Sie alle vergötterten Laura Nyro – die schüchterne Visionärin der Popmusik, deren Songs, gesungen von anderen Künstler*innen, zu Welthits wurden. Als Interpretin selbst blieb sie während ihrer dreissigjährigen Karriere jedoch kriminell unterbeleuchtet. Das gilt es nachzuholen!
Ihre Songs – auf Papier verkopft und komplex, voller Tempowechsel und chromatischer Verschiebungen – blieben trotzdem jederzeit zugänglich und poppig. Einen besseren Einblick bekommst du in der vollen Sendung.
In der Bronx wird ein Star geboren
Geboren in eine musikalische Familie – ihr Vater Jazztrompeter, ihre Mutter Verehrerin von Debussy und klassischen Opern – beginnt die junge Laura früh auf dem uralten Steinway in ihrer Wohnung in der Bronx zu spielen. Im Klavierunterricht fühlt sie sich gegängelt; sie bricht diesen, wie später auch die High School, verfrüht ab. Trotz dieser Eigenwilligkeit scheut sie Aufmerksamkeit und gibt sich zurückhaltend. In der Subway singt sie mit Freund*innen Doo-Wop-Klassiker für Geld. Mit 17 singt sie beim New Yorker Label Verve vor und landet prompt einen ersten Vertrag.
Überzeugt vom jungen Talent, nennen die Produzenten das erste Album Nyro’s More Than a New Discovery. Nyro ist jedoch unzufrieden: Die Klavierparts wurden von Sessionmusikerinnen eingespielt, und auch beim Mixing und Mastering hat sie wenig zu sagen.
Neue Freiheiten
Sie trifft auf den jungen Musikagenten David Geffen (den späteren Entdecker von Nirvana). Dieser erkennt sofort das Potenzial Nyros, kauft ihren Katalog vom alten Label ab und besorgt ihr einen neuen Plattenvertrag – diesmal mit mehr Freiheiten. Er überzeugt das Label, Laura die Aufnahmestudios überdurchschnittlich lange zur Verfügung zu stellen. Akribisch werkelt sie an der zweiten Platte, singt die Backing Vocals gleich selbst ein, und auch das Piano stammt nun von ihr. Eli and the Thirteenth Confession gilt heute als Meisterwerk der modernen Popgeschichte.
Die damals erst 20-jährige Nyro folgt in den Texten dem Leben einer jungen Frau auf ihrem Weg ins Erwachsensein. Der rote Faden bildet das alles umspannende Thema der Liebe – sei sie platonisch, romantisch oder sexuell. Passenderweise sagt Nyro zu dieser Zeit einer guten Freundin: „Nach diesem Album werden meine Eltern alles über mich wissen.“
Der weiche Kern des Concrete Jungles
Die Platte ist zwar kommerziell kein Flop, der grosse Erfolg bleibt aber aus. Bei Kritikerinnen und vor allem Musikerinnen geniesst Nyro jedoch bald hohes Ansehen. Interpretinnen wie Barbra Streisand oder The 5th Dimension landen mit Covers ihrer Songs grosse Erfolge. 1969 veröffentlicht Nyro ihr drittes Album New York Tendaberry – ihr anspruchsvollstes Werk, zugleich aber auch die Platte, die sich Zeit ihres Lebens am besten verkauft. Jeder Song stammt aus der eigenen Feder.
Mit den Sessionmusiker*innen kommuniziert sie in Farben: Mal ist ihr ein Trompetensolo zu orange, mal soll ein Streicherensemble etwas mehr lila spielen. Das Resultat: wahrscheinlich das dynamischste Album der Popgeschichte – von flüsternd intimem Sologesang bis zu ohrenbetäubenden Orchestereinlagen ist alles dabei.
Playlist
Laura Nyro - You Don't Love Me When I Cry
Laura Nyro - Captain for Dark Mornings
Laura Nyro - I Met Him On A Sunday
Laura Nyro - Stoney End
Laura Nyro - Wedding Bells Blues
Laura Nyro - I Never Meant To Hurt You
Laura Nyro - Goodbye Joe
Laura Nyro - Luckie
Laura Nyro - Emmie
Laura Nyro - Sweet Blindness
Laura Nyro - Stoned Soul Picnic
Laura Nyro - Eli's Comin'
Laura Nyro - Timer
Laura Nyro - Tom Cat Goodby
Laura Nyro - Mercy on Broadway
Laura Nyro - Save the Country
Laura Nyro - And When I Die
Laura Nyro - Poverty Train
Laura Nyro - Time and Love
Laura Nyro - Brown Earth
Laura Nyro - When I Was A Freeport And You Were The Main Drag
Laura Nyro - Blackpatch
Laura Nyro - Up on the Roof
Laura Nyro - Captain Saint Lucifer
Laura Nyro - New York Tendaberry
Laura Nyro - Jimmy Mack
Laura Nyro - Beads Of Sweat