Sprechstunde

Eine Griechische Sage trifft auf Gegenwart

Die griechische Mythologie ist verwinkelt. Bettina Glaus von Grenzgänge wählt sich in diesen Winkeln bewusst eine starke Frauenfigur aus, die durch ihr neues Theaterstück führt: die Figur der Kassandra. Kassandra wird vom Sonnengott Apollon mit der seherischen Gabe beschenkt. Als dieser daraufhin aber mit ihr schlafen will und sie ihm dies verweigert, belegt er sie mit dem Fluch, das niemand ihren Visionen je Glauben schenken wird. Diese Widersetzung ist nicht die letzte in Kassandras Leben. Immer wieder lehnt sie sich auf, verweigert, sucht nach Gerechtigkeit. Das geschieht jedoch nicht ohne Konsequenzen. So setzt das Stück "Kassandra und keine mehr" kurz vor Kassandras bevorstehendem Tod an.

Kassandras Gegenüber ist Klytaimnestra, die sie in der ursprünglichen Version der Sage umbringen wird. Im Stück von Grenzgänge / Bettina Glaus erhält Kassandra die Chance, ein letztes Mal ihre Geschichte zu erzählen. Das Publikum erhält so ein Recap von Momenten aus Kassandras Leben, in dem es sich sicherlich selbst erkennen kann. Als 5-Jährige den Satz: "das gehört sich nicht für ein Mädchen" zum ersten Mal zu hören bekommen, in eine Schönheitsrolle gezwängt werden, mit dem Partner über die Aufteilung von Carearbeit streiten müssen. "Kassandra und keine mehr" bleibt nicht in der griechischen Sagenwelt hängen, sondern trifft den Nerv der Zeit mit feinfühligen Auseinandersetzungen und kraftvollem Mutmachen. 

So nähern sich Kassandra und  Klytaimnestra einander langsam an und zeigen so: der Ausweg aus patriarchalen Strukturen kann nur Solidarität sein. Ausgerechnet Kassandra, die mit einem Fluch belegt ist, dass ihr niemand Glauben schenkt, lädt uns ein, unsere Geschichten zu teilen, offene Ohren für Mitmenschen zu haben, stark für einander zu sein, Schritt für Schritt für mehr Freiheit zu kämpfen. Knisternder Sound, sich ausbreitende Tücher, poetische Texte von Anaïs Clerc mit Ausschnitten von Christa Wolf: "Kassandra und keine mehr" verknüpft eine alte Sage mit der Gegenwart auf eindrucksvolle Weise. 

Regisseurin des Stücks, Bettina Glaus, hat uns im Interview mehr über das Stück erzählt. 

Fotocredits: Dominik Wunderli 

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