Der Begriff Outsider Music wurde Anfang der 90er Jahre vom Musikjournalisten Irwin Chusid geprägt. Anders als bei anderen Genrebezeichnungen beschreibt Outsider Music nicht wirklich bestimmte Klangmerkmale. Vielmehr zielt der Begriff auf die Umstände hinter der Musik ab. Musiker*innen, die innerhalb der Musiklandschaft eine Außenseiter*innenrolle einnahmen, stehen im Fokus. Oft ist dies auf eigenwillige Persönlichkeiten und unkonventionelle künstlerische Herangehensweisen zurückzuführen. Die Songs entstanden ohne professionelle Produktionstechniken und haben einen rohen und zerbrechlichen Klang. Outsider Music lebt von einer fragilen Gefühlsgeladenheit und einer ansteckenden Nahbarkeit. Hinter der Bezeichnung stehen zahlreiche Künstler*innen mit spannenden Lebensgeschichten und trotzköpfigen Arbeitsweisen. Diesen Menschen widmeten wir uns während zwei Stunden Intravinyl. Mehr erfährst du in der Sendung!
Die Philosophie der Welt
Ein finnischer Elvis-Imitator, der weder eine besonders stilsichere Stimme hat, noch wirklich gut Englisch spricht. Eine liberische Kongressabgeordnete, die in ihrem Song Cousin Mosquito #1 (und ja, es gibt einen zweiten Teil) über die Gefahren kleiner Stechmücken singt und dabei über 200 Mal das Wort "Cousin" wiederholt. Die Faszination für Outsider Music hat oft etwas Zynisches, Verspöttelndes. Auch The Shaggs waren immer wieder der Schadenfreude der Öffentlichkeit ausgesetzt. Die Band wurde aufgrund einer Prophezeiung einer Wahrsagerin gegründet. Diese versprach Austin Wiggin, dass seine drei Töchter einmal in einer bekannten Band spielen würden. Wie besessen tat der Familienvater schließlich alles, damit diese Prophezeiung in Erfüllung ging. Er zwang seine Töchter zu Bandproben und schickte sie schließlich in ein Tonstudio. Das Ergebnis war "The Philosophy of the World", ein Meisterwerk des Dilletantismus. Über die Jahrzehnte hinweg wurde das Album zu einem Kultklassiker. The Shaggs, nun losgelöst von ihrem autoritären Elternhaus, gingen immer wieder auf Reunion-Tour. Die Prophezeiung wurde wahr!
Quakercore
In einer Sozialbauwohnung in Harlem aufgewachsen, zeigte Shira Small schon früh ein enormes musikalisches Talent. Während vier Jahren besuchte sie ein Internat, das von einer Quäker-Gemeinschaft geführt wurde. In den Schulgängen fiel sie schnell mit ihrer Stimme auf. Hemmungslos versuchte sie, die Stimmen ihrer Idole Joni Mitchell und Aretha Franklin nachzuahmen. Ihr Musiklehrer Lars Clutterham überzeugte sie schliesslich, ein Album aufzunehmen. Die Produktionskosten wurden von großzügigen Eltern und Vorverkäufen der Lehrer*innenschaft der Schule übernommen. Das Ergebnis war "The Line of Time and the Plane of Now". Noch nie hat ein Schulabschlussprojekt so schön geklungen. Mit ihrer luftig sanften Stimme singt Shira Small über die Lebensrealität von POCs im Amerika Nixons. Die Angst, in einen zerstörerischen Krieg gezogen zu werden oder beim Marihuana-Konsum erwischt zu werden - all das findet auf den zehn Tracks Platz. Begleitet von ihrem Musiklehrer Lars Clutterham gelang es der 18-jährigen Shira Small im Jahr 1974, ein Zeitzeugnis zu schaffen, das seinesgleichen sucht.
Playlist
Eilert Pilarm – Jailhouse Rock
Moondog – Viking
Lucia Pamela – Walking on the Moon
Shira Small – Eternal Life
Shira Small – I Want To Lay With You
Shira Small – My Life’s All Right
Unknown – Virgin Child of the Universe
The Red Krayola – Victory Garden
Chuck Senrick – Don't Be So Nice
The Space Lady – Synthesize Me
The Space Lady – 20th Century Fox
The Space Lady – Major Tom
Branko Mataja – Da Smo Se Ranije Sreli
Branko Mataja – Sreo Sam Te
Stan Hubbs – Juggernaut
Stan Hubbs – Young Saint Augustine
Stan Hubbs – Crystal
Tangelia Tricoli – Jet Lady
The Shaggs – The Philosophy of the World
The Shaggs – My Pal Foot Foot
Luie Luie – El Touchy
Luie Luie – Tastee Touchy
B.J. Snowden – In Canada
Congress-Woman Malinda Jackson Parker – Cousin Mosquito #1
Congress-Woman Malinda Jackson Parker – Chicken is Nice (with Palm Butter and Rice)
Daniel Johnston – Big Business Monkey
Daniel Johnston – Walking the Cow
Daniel Johnston – Despair Came Knocking
Daniel Johnston – Some Things Last a Long Time