Das Projekt vereinbar sieht Inklusion als Bandbreite: so werden im Neubad möglichst viele Orte und Aufgaben geschaffen, an denen Menschen mit Behinderung mitarbeiten können. Wo genau sie mitarbeiten wollen, entscheiden Mitarbeitende von vereinbar selbst.
Entstanden ist das Projekt 2022 in Zusammenarbeit mit der Stiftung Rodtegg, die ebenfalls Arbeit, Bildung und Wohnraum für Menschen mit Behinderung schafft. Am Anfang war nichts: statt Vorgaben zu setzen, wurde mit dem Neubad als Ort und mit den Mitarbeitenden ein Arbeitsalltag entwickelt. So entstand ein direkter Austausch: Die Mitarbeitenden wurden gefragt, was sie brauchten, und sagten, was sie sich wünschten.
Daraus ergab sich ein Arbeitsalltag in vielen verschiedenen Bereichen – Mithilfe im Bistro, im Neubad-Büro, sowie Projektentwicklung und Mitwirken in kreativen Projekten, in Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden. Auch die Infrastruktur des Neubads entwickelte sich so weiter. Lifte, automatische Schiebetüren und niedrige Bezahltresen am Bistro sind seit dem Projektbeginn bereits entstanden. Donita Kasumaj und Teresa Kündig, Mitarbeitende bei vereinbar, erzählen, dass ihnen die Projektarbeiten besonders gefallen. In diesem Rahmen entstand beispielsweise das Logo von vereinbar – ein Puzzleteil.
Puzzle-artig ist auch die Arbeit von Shoili Kanungo und Kevin Crelerot. Ohne sich zu kennen, haben die zwei Illustrator*innen begonnen, gemeinsam Geschichtsstränge zu entwickeln. Frage-Antwort-Spiele, mit Text und Zeichnung, durch welche sie sich besser kennengelernt haben. Nun sind sie für drei Monate in der künstlerischen Residenz, die das Neubad anbietet. Hier entwickeln sie ihre Geschichtsstränge weiter, um diese innerhalb des Comicfestivals Fumetto auszustellen.
Das Kulturhaus Neubad nutzt die Vielfalt, die darin lebt, um verschiedene Anknüpfungspunkte für das Projekt vereinbar zu finden. Einer dieser Anknüpfungspunkte ist die künstlerische Residenz. Bewerbende entwickeln in ihrem Konzept Rahmen, innerhalb welcher auch vereinbar-Mitarbeitende an ihrer Arbeit mitwirken können, wenn sie dies wollen. Die Geschichtsstränge von Shoili Kanungo und Kevin Crelerot werden durch eine gekleisterte Burglandschaft erweitert. Dies ist der Rahmen, innerhalb dessen vereinbar frei gestalten darf. Isse Hassan Abdi hat sich dazu entschieden, eine Brücke zu bauen - inspiriert von der Kapellbrücke in Luzern.
Für Melanie Lötscher ist diese Arbeit eine spezielle, aber willkommene Herausforderung. Seit ihrer Geburt ist sie blind, sieht nur Abstufungen zwischen hell und dunkel. Beim Bemalen ihrer Türmchen überlegt sie sich, welche Pinselbewegungen interessante Muster hervorbringen können, und lässt ihrer Fantasie freien Lauf. In ihrer Vorstellungskraft wird sie begleitet von der Häsin Hasia, die riesige Ohren hat, und nur Flausen im Kopf. So wird Hasia auch auf den Türmchen, das Melanie Lötscher der Burg beiträgt, verewigt.
Vernissage des Fumetto Tandems ist am 05. April um 17:00 mit einem Apéro. Ansonsten kann das Werk während den Fumetto Öffnungszeiten bestaunt werden.
Laurin Schwob, Leiter inklusive Kultur im Netzwerk Neubad, würde das Neubad nicht als perfekt inklusiver Betrieb bezeichnen. Doch es gehe auch darum, Angebote nicht immer als inklusiv oder exklusiv zu werten. Das Projekt vereinbar versucht, möglichst viele Arten der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderung zu schaffen, von denen Mitarbeitende entscheiden können, welche für sie stimmig sind. Das funktioniert dank einem gutem Austausch, durch das Eingehen auf die gegenseitigen Wünsche, Probleme und Gedankengänge: durch ein partizipatives Denken und Handeln im Projekt.
Teresa Kündigs Leitsatz für Inklusion ist: "Probieren. Und erst, wenn etwas nicht klappt, weiterschauen." Das Projekt vereinbar probiert, reflektiert, tauscht aus, hört hin – und schaut weiter.