Nach den ersten Parteien und Arbeiterinternationalen entstand vor etwas mehr als 100 Jahren die Idee einer europäischen Partei. Die Paneuropäische Union forderte nach der Zerstörung des 1. Weltkriegs eine Vorgängerorganisation der EU und existiert noch heute als konservative, pro-europäische Vereinigung. Während fast alle nationalen Parteien Teil von internationalen Verbindungen sind, hat sich die Idee einer länderübergreifenden europäischen Partei aber nie wirklich durchgesetzt.
Die junge Partei Volt allerdings ist gesamteuropäisch organisiert und konnte gerade bei den letzten EU-Wahlen auf viele junge Wähler*innen zählen. Roland Müller, Co-Präsident von Volt Schweiz, hat uns im Interview erzählt, wofür die Partei steht:
Ein gemeinsames Programm für 33 Staaten
In insgesamt 33 Ländern, sogenannten Chapters, ist Volt Europa aktiv. 35000 Mitglieder zählt die Partei, die als Reaktion auf zunehmenden Populismus und den Brexit gegründet wurde. Mittlerweile ist sie auch in der Schweiz aktiv und beschreibt sich als paneuropäisch, pragmatisch und progressiv. Die Partei definiert sich nebst ihrem gesamteuropäischen Programm besonders durch ihr Beharren auf «Best Practices». Anstatt, dass jedes Land eigene Lösungen sucht, sollte man diese einfach von Orten übernehmen, in denen es bereits funktioniert. Also Velowege aus den Niederlanden oder Dänemark, Obdachlosenhilfe aus Finnland oder die direkte Demokratie der Schweiz. Teil ihres Programms ist nämlich auch die Reform der EU zu mehr Föderalismus und Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild – eine Art «United States of Europe».
«Ich finde das persönlich so hirnrissig, du schaust nach Portugal und siehst eine Drogenpolitik die seit Jahrzehnten funktioniert.»
Roland Müller über Cannabisversuche in der Schweiz
Wichtige Punkte in ihrem Programm sind ausserdem eine weitergreifende Digitalisierung und einen radikaleren Klimaschutz. Zumindest in diesem Punkt gibt ihnen übrigens der WWF bei ihren Forderungen recht: Bei einem Parteienranking für die EU-Wahlen schloss Volt in allen Kategorien (Natur-, Klima- und Umweltschutz) auf Platz 1 ab. Obwohl sich die Partei hierzulande klar im linken Lager befindet, will sie sich nicht auf einem Links-Rechts-Schema definieren. Dafür sind die nationalen Unterschiede, wo die Grenze zwischen Links und Rechts gezogen wird, zu unterschiedlich. Ausserdem möchte sie sich nicht ideologisch orientieren und hat auch einige wirtschaftsliberalen Programmpunkte. Da sich die Partei auf wissenschaftliche Erkenntnisse bezieht, würden sich ihre Policies allerdings oft mit Linken überschneiden, so Roland Müller.
«Wenn ich die Deutschen Volter*innen sehe und Ihnen die schönen SVP-Plakate zeige, sind sie schockiert. In Deutschland geht man für solche Plakate gegen Rechts auf die Strasse»
Roland Müller über die Wahrnehmung von Rechts und Links in der Schweiz
Roland Müller
©Volt Schweiz (voltschweiz.org)
Beliebt bei jungen Wähler*innen
Besonders bei jungen Wähler*innen ist Volt beliebt. Unter den 16 bis 24-Jährigen lag Volt Deutschland bei den letztjährigen Europawahlen bei rund 9% und erhielt damit etwa gleich viele junge Stimmen wie die SPD oder die Grünen. Gerade durch diese Gruppe schaffte es die Kleinpartei auch zu mehreren Sitzen im Europa-Parlament. Drei für Deutschland, zwei für die Niederlande. Auch in anderen Staaten ist Volt aber bereits in nationalen und lokalen Parlamenten, sogar in einigen Stadtregierungen, vertreten. Und auch in der Schweiz trat Volt bereits an Wahlen in Bern und Zürich an. Das vergleichsweise schlechte Abschneiden bei den Deutschen Bundestagswahlen mit 0.7% Stimmanteil lässt jedoch die Frage aufwerfen, ob die letztjährigen EU-Wahlen eine Ausnahme waren. Roland Müller sieht hier aber zwei grosse Unterschiede: In der EU dürfen bereits 16 Jährige wählen und es gibt keine 5% Hürde, die das Wählen von Kleinparteien unattraktiv macht.