Krass Politic

Die Welt rüstet auf und die Schweiz macht mit

Die Staaten der Welt rüsten auf. Konflikte auf vier Kontinenten, besonders im Nahen Osten, der Ukraine, Kaschmir und eine drohende Invasion Chinas auf Taiwan, führen zu einer stärkeren Militarisierung der Weltmächte. Die sicherheitspolitische Weltlage ist angespannt. Seit dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, spätestens aber seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist auch in Europa ein neues Zeitalter der Aufrüstung und der europäischen Zusammenarbeit angekommen. 

Welche Pläne die Schweiz hat, um «verteidigungsfähig» zu werden und welche Skandale die Schweizer Armee dabei begleitet haben, erklären wir dir in dieser Sendung. Ausserdem war Elia Gerber, politischer Sekretär bei der GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) bei uns zu Gast und hat uns vom Kampf gegen die Aufrüstung erzählt.

Eine Chronik der jüngsten Skandale in der Schweizer Armee

Skandale in der Schweizer Armee sind keine Neuheit. 1961 gab es die sogenannte Mirage-Affäre, bei denen die Schweiz zusätzlich zu den ursprünglichen 870 Millionen einen Zusatzkredit von fast 600 Millionen benötigt hätte, um die bestellten Kampfjets zu erhalten. Am Schluss gab es nur 57, statt der bestellten 100 Flugzeugen. Und in den 1980er-Jahren wurde im Untergrund eine Schweizer Geheimarmee (P26) aufgebaut, die nur durch einen Zufall aufflog. Aber auch in den letzten Monaten und Jahren gab es Debakel um Debakel:

Die Schweizer Militärausrüstung ist veraltet und defekt. Bei vielen Geschossen und Verkehrsmitteln rechnet man damit, dass ein Fünftel bis ein Drittel im Ernstfall nicht funktionieren. Panzer sind verschimmelt, die Abdeckung bei einem Luftangriff liegt bei etwa 20%, also nur rund ein Fünftel der Schweiz wäre im Ernstfall durch die Luftverteidigung geschützt.

Bei der Modernisierung der Duros, den Kleinlastwagen der Armee, kostete ein Exemplar 250'000 Franken. Der Neupreis lag bei 140'000 Franken.

Die 36 amerikanischen F35-Jets kosteten die Schweiz 6 Milliarden Franken. Trotzdem dürfen sie in einem Umkreis von 40km eines Gewitters nicht fliegen und können von der USA angeblich am mit einem «Killswitch» am Boden gehalten werden.

Ein Manager des staatseigenen Rüstungsbetrieb RUAG konnte trotz Vorwürfen jahrelang illegal mit Panzerersatzteilen handeln, um sich selbst zu bereichern. Ausserdem fälschte die RUAG angeblich die Bilanz einer Tochterfirma, damit sie diese verkaufen konnte. Dieser Monat beginnt der Gerichtsprozess.

In einer Studie gaben 86% der befragten Armeeangehörigen an, sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. Bei Cis-Frauen waren es über 94%, bei Transfrauen sogar 97%. Ausserdem gaben 90% der Frauen an, wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein, dasselbe gilt für 70% der nicht-heterosexuellen Männer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Die Dunkelziffer dürfte gerade bei den Männern aber deutlich höher sein.

Von 22 Schlüsselprojekten des Bundes im Bereich digitale Transformation sind 9 bei der Armee angesiedelt. Diese kosten rund 19 Milliarden Franken. Der Armeechef Thomas Süssli sagte nun, dass ihm 7 von diesen Projekten „Sorgen bereiten“. Ein millionenteures Logistikprojekt der Armeeinformatik verzögert sich ausserdem um 10 Jahre, weil es nicht unabhängig vom Ausland funktioniert.

Und zu alldem gaben erstmals drei wichtige Personen im Verteidigungsministerium ihren Rückritt bekannt, die Bundesrätin Viola Amherd, Armeechef Thomas Süssli und Geheimdienstchef Christian Dussey.

Wofür die GSoA steht

Die GSoA gründete sich in den 80er-Jahren im Umfeld der JUSO. Mit ihrer Initiative, die die Abschaffung der Armee forderte, scheiterte sie 1989 zwar, konnte aber über 35% Ja-Stimmen holen. Das sind über eine Million Menschen, die damals tatsächlich für die Abstimmung der Armee stimmten. Da die Gegner zuvor von 5-10% ausgegangen waren, löste das eine gigantische Welle in der Schweizer Politik aus. Trotz ihres Ziels, die Armee abzuschaffen, engagiert sie sich auch anderweitig friedenspolitisch und aktivistisch und kämpft etwa mit Referenden gegen Kampfjet-Beschaffungen an und war mitverantwortlich für die Erschaffung des Zivildiensts. Vorher gab es als Alternative nur die Dienstverweigerung, die damals wie auch heute noch vor dem Militärgericht und später im Gefängnis endet.

Genau dieser Zivildienst wird gerade wieder angegriffen. Aus Angst, dass die Soldaten ausgehen, wird gefordert, die Gewissensprüfung wieder einzuführen. Bei der Gewissensprüfung muss sich der potenzielle Rekrut vor einer Kommission rechtfertigen und begründen, dass er aus beispielsweise religiösen oder ethischen Gründen keinen Militärdienst verrichten kann. Die Praxis wurde 2009 abgeschafft, da sie willkürlich erschien, subjektiv und oft erniedrigend wirkte. Ausserdem kostete ein Fall rund 6000 Franken.

Elia Gerber hat bei uns im Interview bereits angekündigt, dass die GSoA, wenn es so weit kommt, gemeinsam mit der JUSO, den Jungen Grünen und dem Zivildienstverband CIVIVA das Referendum ergreifen werden.

Zu welchem Preis?

Wenn die Schweiz tatsächlich verteidigungsfähig sein soll, müssen massive Investitionen getätigt werden. Wie realistisch die Gefahr eines russischen Angriffs auf die Schweiz wirklich ist, ist jedoch eine andere Frage. Weitere Eskalationen sind immer möglich, bis die Schweiz allerdings direkt in einen Konflikt verwickelt wird, müsste aber noch sehr viel passieren. Weitaus realistischer sind jedoch andere Szenarien: die Klimakatastrophe, weitere Pandemien, Krisen in Entwicklungsländern oder eine Überlastung des Gesundheitssystems. Bereiche, in denen das Geld fehlt, wenn wir weiterhin so stark aufrüsten.

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