«Röschtigraben», ein Wort, das wir alle schon gehört haben und uns gefragt haben, was dieser Graben zwischen der Romandie und der Deutschschweiz eigentlich mit Rösti zu tun hat. Doch gibt es den Röschtigraben tatsächlich? Wie ist er entstanden, und welchen Einfluss hat er politisch auf die Schweiz?
Wir haben einen Experten gefragt und Interviews mit zwei Personen aus dem Vorstand des Dachverbandes der Schweizer Jugendparlamente geführt, um diese Fragen für dich zu klären. Ihre Einschätzungen hörst du in der Sendung.
Was ist der Röschtigraben?
Der Röschtigraben hat seinen Ursprung im ersten Weltkrieg. Damals haben sich die Meinungen zu aussenpolitischen Fragen gespalten: Die Romands waren eher auf der Seite von Frankreich, während Deutschschweizer*innen eher mit Deutschland sympathisierten. Der Begriff «Röschtigraben» kam jedoch erst in den 1970er-Jahren durch die Medien auf.
Wenn man vom Begriff «Röschtigraben» im engeren Sinne spricht, bezieht man sich auf die Unterschiede im Abstimmungsverhalten zwischen der Romandie und der Deutschschweiz. Im alltäglichen Gebrauch meint man jedoch oft mehr als nur diese Unterschiede, nämlich allgemeine Differenzen in Bezug auf Arbeit, Familie, Leben oder auch Staat. In der Schweiz gibt es ja aber nicht nur diese beiden Sprachregionen, sondern auch noch einen italienisch- und einen rätoromanischsprachigen Teil. Die Grenze zum italienischsprachigen Teil wird auch Polentagraben genannt, und die zum rätoromanischen Teil Capunsgraben.
Welche Bedeutung hat der Röschtigraben für die Politik in der Schweiz?
Die Romands sind sowohl in Bezug auf die Einwohnerzahl wie auch auf kantonaler Ebene im Ständerat die Minderheit. Selbst wenn man das Tessin noch dazurechnet, würde es in einer Abstimmung nicht reichen, um die Deutschschweiz zu überstimmen. Faktisch gesehen gab es seit 1848 jedoch nur fünf Abstimmungen, in denen die ganze Romandie gegen die ganze Deutschschweiz gestimmt hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Röschtigraben nur ein Mythos ist, denn es gibt trotzdem viele Abstimmungen, in denen diese Tendenz klar ersichtlich ist.
Ein aktuelles Beispiel ist die Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts: Dort steht die Romandie ganz klar auf der Verliererseite. Alle französischsprachigen Kantone sowie die beiden zweisprachigen Kantone Wallis und Freiburg haben gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts gestimmt. Von der Deutschschweiz hat nur Basel-Stadt ebenfalls dagegen gestimmt. Allgemein gibt es klare Themen, in denen der Röschtigraben ausgeprägter ist. Dazu zählen: Landwirtschaft, Aussenpolitik, Bildung, Verkehr und Infrastruktur. Der Politologe Sean Müller schreibt uns zudem, dass Feminismus und neue moralische Werte in der Romandie systematisch stärker verbreitet sind.
Zukunft des Röschtigrabens
Laut der Studie Den Röschtigraben vermessen: Breite, Tiefe, Dauerhaftigkeit hat sich der Röschtigraben seit 1960 nicht verstärkt. Im Gegenteil, tendenziell nimmt er eher ab. Erstaunlicherweise hat sich der Röschtigraben durch Social Media nicht verändert, denn wie Sean Müller meint, überquert Social Media die Sprachgrenze nur selten. Wir haben nachgefragt, was junge Menschen, die diesen Graben überwinden möchten, also tun sollten. Das Konsumieren von Qualitätsmedien oder auch anderen kulturellen Produkten wie Büchern, Filmen oder Satire von der anderen Seite des Röschtigrabens kann helfen, den Röschtigraben zu verkleinern.