«Jeder ist seines Glückes Schmied»? Die Wahrheit sieht leider anders aus. Obwohl die Schweiz ein angeblich sehr gutes Schul- und Ausbildungssystem hat, sind die Aufstiegschancen schlecht. Nebst der Erziehung und der eigenen Leistung beeinflussen einige Faktoren enorm, welchen Bildungsweg junge Menschen eingehen: die finanziellen Mittel, der Bildungshintergrund und die Herkunft deiner Eltern. Gute Bildung und ein hohes Einkommen wird in der Schweiz wie so vieles vererbt.
Dr. David Glauser, Experte für Ungleichheiten in der Bildung, erzählte uns mehr davon:
Deine Herkunft bestimmt deine Bildung
Die soziale Herkunft ist mit der eigenen Leistung der wohl entscheidendste Faktor für den später eingeschlagenen Bildungsweg. Kinder aus akademischen Familien wachsen nicht nur in einem gebildeten Umfeld auf – sie werden auch als intelligenter wahrgenommen und erhalten für dieselbe Leistung tendenziell bessere Noten als ihre Mitschüler*innen, deren Eltern aus der Arbeiter*innenschicht kommen. Ausserdem geniessen Kinder von akademischen und wohlhabenden Eltern öfter Frühförderung (die Unterschiede sind bereits bei der Einschulung gross), können sich Nachhilfeunterricht leisten und werden bei Übertrittsentscheidungen eher bevorzugt. Gerade wenn es um die Empfehlung für eine höhere Sekundarstufe oder den Gymnasiumseintritt geht, wird Kindern aus Arbeiter*innenhaushälten weniger zugetraut und die Eltern können sich weniger einfach dagegen wehren. Dasselbe Bild zeigt sich gegenüber Schüler*innen, denen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird und das sogar, wenn die Eltern in ihrem Herkunftsland einen Universtitätsabschluss haben. Auch ihnen wird Bildungsferne zugeschrieben – das Problem liegt also tiefer. Das Humankapital der Eltern wird nämlich oftmals entwertet, da ihre Abschlüsse in der Schweiz nicht immer anerkannt werden. Während rund 80% der Kinder von Akademiker*innen an ein Gymnasium gehen, sind es bei Familien aus prekäreren Verhältnissen nur knapp ein Viertel. Wohlbemerkt, bei derselben Leistung.
Die Lücken in unserem Bildungssystem
Die Schweiz hat durch ihre historisch gut gewachsene Berufsbildung viele Vorteile. Unter anderem ist es – im Gegensatz zu vielen anderen Staaten – möglich, von einer Berufslehre an eine Universität zu wechseln. Diese Möglichkeiten werden aber nur selten genutzt. Während die dazu benötigte Berufsmatura noch häufig erworben wird, wird die Passarelle dann selten noch zusätzlich gewählt. Die finanziellen und zeitlichen Rückschläge sind dafür oftmals schlichtweg zu gross. Diese Aufstiegsmöglichkeit bleibt für viele also rein theoretisch. Wer an einer Universität studieren will, ist also doch am besten dran, ins Gymnasium zu gehen.
Der Föderalismus der Schweiz führt zusätzlich dazu, dass wir 26 unterschiedliche Bildungssysteme haben, die alle etwas anders funktionieren. Die einen besser als die anderen. Während einige Kantone eine Gymnasialquote von 50% haben, hinken andere mit 15% hinterher. Ein hoher Anteil an Gymischüler*innen ist aber nicht direkt ein Zeichen für ein gutes Bildungssystem. Es zeigt sich jedoch, dass Systeme, die eine hohe Durchlässigkeit haben, gleichzeitig auch fairer sind. Damit meint man, dass Schüler*innen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, einfach durch die verschiedenen Stufen wechseln können. Wichtig ist jedoch, dass das in beide Richtungen funktioniert. Momentan ist es meistens nämlich viel einfacher ab- als aufzusteigen.
Was bereits gemacht wird, um unser Bildungssystem gerechter und inklusiver zu machen, und an welchen Staaten wir uns als Vorbild nehmen können, hörst du in unserer Sendung.